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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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höflich: »Helen, Schatz.«
    Ich wartete, bis ich neben ihm war, dann feuerte ich meine Frage an ihn ab: »Hat Wayne einen Freund, der Digby heißt?« Ich beobachtete ihn ganz genau. Ich war auf die kleinste Regung – ein Zucken des Augenlids, eine Verengung der Pupille – vorbereitet. Ich wollte sehen, ob er so reagierte wie an dem Abend, als ich ihn wegen Gloria gefragt hatte.
    Er schüttelte den Kopf. Nichts. Keine verlegenen, umherhuschenden Blicke. Keine unwillkürliche Zuckung. Er argwöhnte nichts.
    »Du hast ihn nie von einem Mann namens Digby sprechen hören? Sicher?«
    »Hundert Prozent.«
    »Gut.« Ich glaubte ihm.
    Ich ging zu Roger hinüber, dessen Schwanenkostüm von Lottie, der Kostümfrau, gerichtet wurde. Sie kniete vor ihm und hatte den Mund voller Stecknadeln, und er streichelte ihr mit einer losen Feder gedankenverloren über die linke Brust. »Hören Sie auf damit!« Die Stecknadeln fielen ihr aus dem Mund. »Und geben Sie mir die Feder. Ich muss sie ankleben.«
    »Roger«, sagte ich. »Kann ich mit dir sprechen?«
    »Aber selbstverständlich!« Er zeigte auf den Bühnenrand. »Gehen wir dorthin, wo es schattig ist.« Er wedelte mit der Feder vor meiner Nase.
    Auf keinen Fall schattig. Ich musste sein Gesicht sehen können. »Hier drüben«, sagte ich und führte ihn ins Schein werferlicht.
    »Roger, hat Wayne in deiner Gegenwart je einen Mann namens Digby erwähnt?«
    »Nein.« Er kitzelte mich mit der Feder im Gesicht.
    »Würdest du bitte damit aufhören?«
    »Nein«, sagte er. »Ich habe mich sexuell nicht im Griff. Das hast du bestimmt schon gehört.«
    »Ein Mann namens Digby?«, wiederholte ich.
    »Nie von ihm gehört. Ich würde es dir sagen. Also … immer noch keine Spur von Wayne?«
    »Nein.«
    Plötzlich fiel die lässige Haltung von Roger ab, und Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. »Wir müssen ihn wirklich finden. Du siehst doch, was für ein lachhaftes Spektakel das hier zu werden droht. Ohne Wayne sind wir aufgeschmissen.«
    »Ich tue, was ich kann. Ich überlege nur …«, sagte ich. Ich wusste selbst nicht, wohin mich das führen würde.
    »Du überlegst was?«
    »John Joseph. Ich überlege, ob er was zu verbergen hat.«
    »Zu verbergen?« Roger sah mich an, als wäre ich bescheuert. »Natürlich hat er was zu verbergen. John Joseph hat reichlich zu verbergen.«
    »Wirklich? Zum Beispiel?«
    »Ich meine, wir alle haben etwas zu verbergen.«
    »Und was verschweigst du mir?«
    »Nichts. Glaub mir. Ich verschweige dir nichts. Ich möchte, dass Wayne gefunden wird.«
    Ich seufzte. »Also gut. Ruf mich an, wenn dir doch noch etwas einfällt.«
    »Vielleicht rufe ich dich auch so an«, sagte er leise und anzüglich.
    »Ach, hör doch auf.«
    »Geht nicht.« Er klang fast stolz. »Habe mich sexuell nicht im Griff.«
    Ich wandte mich ab und stieß auf Jay. »Wo ich schon hier bin, kann ich dich ja auch fragen. Weißt du, ob Wayne einen Freund hat, der Digby heißt?«
    »Nein. Aber wie schon gesagt: So gut kenne ich Wayne nicht. Was hat Roger von sich gegeben?«
    »Ich behaupte nicht, dass Roger St Leger ein Serienmörder ist«, sagte ich nachdenklich, »das behaupte ich wirklich nicht. Aber er steht mit so einem Killer auf derselben Stufe.«
    Jays Miene hellte sich auf. »Ich weiß, was du meinst. Er ist der Typ, dem die Frauen noch in der Todeszelle nachstellen …«
    »Genau! Und ihm aufgeilende Fotos von sich schicken …«
    »… und dem Gouverneur schreiben und sich für eine Umwandlung des Todesurteils in lebenslänglich einsetzen. Hier kommt Frankie!«
    Endlich wurde Frankie zur Erde runtergelassen, desgleichen Zeezah, cool und elegant.
    Die Leute eilten zu ihm und wollten ihm helfen, aber er war sehr, sehr entspannt und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Offensichtlich war es eine extra starke Xanax gewesen, die Roger hatte.
    »Ich dachte, ich schaff’s nicht«, wisperte Frankie und legte sich auf den Fußboden. Ich kniete mich über ihn. »Frankie. Mach die Augen auf. Hat Wayne einen Freund, der Digby heißt? Hast du ihn mal von einem Digby sprechen hören?«
    »Nein«, sagte er schwach.
    »Und du, Zeezah?«, fragte ich. »Hat Wayne mal von jemandem gesprochen, der Digby heißt?«
    »Nein«, sagte sie fest und sah mich an, ihr Blick war aufrichtig, rein und klar. Anders als neulich, als ich sie nach Gloria gefragt hatte; da war sie nervös gewesen, diesmal glaubte ich ihr.
    Ich glaubte ihnen allen. Wayne hatte keinen Freund, der Digby hieß. Digby war das

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