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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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versucht hatte, seine beiden Welten voneinander getrennt zu halten. Anfangs war das gut gegangen. Im Januar und Februar hatten wir uns häufiger verabredet – manchmal kam er zu mir in die Wohnung, manchmal ging ich zu ihm –, aber wir konnten uns nicht spontan und je nach Stimmung sehen. Wenn die Kinder bei Vonnie waren, hatten wir das Haus für uns, aber wenn sie bei ihm waren, hatte ich keinen Zugang zu ihm. Das gefiel mir nicht, aber er gefiel mir, und die ganze Sache war zu zerbrechlich, als dass man sie genau analysieren konnte, deshalb beschloss ich, nicht weiter darüber nachzudenken, zumindest vorerst nicht.
    Ich machte mir unnötig viele Gedanken über Iona. Oft – wenn Artie nicht im Zimmer war – starrte ich ihr Bild an und versuchte in Gedankenübertragung zu sagen: Wag es, mir das Leben schwer zu machen, und ich sorge dafür, dass dein Daddy mich mehr liebt als dich. Aber das hätte ich niemals zugegeben, selbst unter Folter nicht.
    Im März hatte ich die Nase voll davon, dass ich verheimlicht werden musste, und eines Morgens kam es zu einem Ausbruch. Nach einer Nacht bei Artie hatte ich mich angezogen und wollte gerade gehen. »Gut«, sagte ich, »ich gehe jetzt.«
    Er reichte mir den BH, den ich am Tag zuvor getragen hatte. »Vergiss den nicht.«
    »Vielen, vielen Dank«, sagte ich mit sarkastischem Unterton.
    »Wie meinst du das?« Ihm entging nichts.
    »Dass ich bloß keine Spuren hinterlasse.«
    Er sah mich an, sein Gesicht war verschlossen. »Du weißt, dass es kompliziert ist.«
    »Das sagst du dauernd, und es fängt an, mich zu langweilen.«
    Ich entriss ihm meinen BH und stopfte ihn in meine Hand tasche, dann ging ich ohne ein weiteres Wort. Er konnte mich mal. Ich hatte es satt, ein Niemand zu sein.
    Ich beschloss, seine Anrufe nicht zu beantworten. Aber er rief nicht an. Ich rief auch nicht an, und das war schwer, schwerer, als ich gedacht hatte. Als ein Tag nach dem anderen verging, an dem ich nichts von ihm hörte, wurde mir klar, dass es vorbei war. Na gut, ich hatte der Sache sowieso keine Zukunft gegeben; wir passten überhaupt nicht zusammen.
    Komisch, als ich anfing, darüber nachzudenken, stellte ich fest, dass keine meiner Beziehungen länger als drei Mo nate gedauert hatte. Der Tag, an dem Artie und ich uns über meinen BH in die Haare kriegten, war genau drei Monate nach unserer Begegnung bei dem Weihnachtsbasar.
    Was war mit mir los? Hatte ich absichtlich die Drei-Monats-Marke als Zeitpunkt gewählt, ab dem ich es leid war, die unsichtbare Geliebte zu sein? Mum hat oft erzählt, dass ich als Kind mit einem neuen Spielzeug erst glücklich war, wenn ich es kaputt gemacht hatte. Anscheinend hatte sich daran jetzt, da ich erwachsen war, nichts geändert.
    Mit so einer Einstellung würde ich immer allein bleiben. Aber was konnte ich dagegen tun? Ich war eben so. Also packte ich meine Gefühle für Artie zusammen, all meine Traurigkeit, das Verlustgefühl. Ich presste sie fest zusammen und formte einen kleinen handlichen Würfel daraus, wie man das mit zerdrückten Autowracks macht, so klein, dass ich ihn an einer staubigen Stelle in meinem Kopf, an der ich selten vorbeikam, verstauen konnte. Das machte ich immer so mit Dingen, für die ich keine Gefühle mehr aufwenden wollte. Aber in dem Fall war es viel schwieriger, als ich gedacht hatte.
    Nach acht abscheulichen Tagen rief er an. »Können wir uns treffen?«, fragte er.
    »Warum? Damit du mir meine Sachen zurückgeben kannst? Ach, ich vergaß, es gibt gar keine Sachen von mir, die du mir zurückgeben könntest.«
    »Können wir uns treffen? Können wir reden?«
    »Gibt es überhaupt etwas, worüber wir reden können?«
    »Wir probieren es mal. Vielleicht finden wir etwas. Kommst du zu einem Spaziergang mit mir?«
    »Was genau meinst du mit Spaziergang? Draußen in der Landschaft?« Ich fand, dass es ein seltsamer Vorschlag war, aber vielleicht besser, als sich irgendwo gegenüberzusitzen. »Okay«, sagte ich. »Vielleicht geht das. Was muss ich tun?«
    »Sportschuhe anziehen. Hast du eine regenfeste Jacke?«
    »Nein.«
    »Lass mich raten: Du hältst nicht viel von regenfesten Jacken.«
    »Richtig.«
    »Ich kümmere mich drum, und ich bringe ein Picknick mit.«
    »… ehm … Artie, das Wort ›Picknick‹ gehört unbedingt in die Tonne. Würde es dir etwas ausmachen, es nicht mehr zu benutzen?«
    »Ist gut. Sagen wir, ich bringe was zu essen mit? Tragbares Essen?«
    Es war ein wunderschöner Tag Mitte März, ein Tag, der fast

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