Glücksfall
erste Mal um zwei Minuten vor zwölf am Donnerstagvormittag in Waynes Leben getreten. Also musste Digby eindeutig der gedrungene Mann um die fünfzig mit Glatze sein, mit dem Wayne weggefahren war.
Damit war das geklärt.
Was kam als Nächstes?
39
I ch überlegte, ob ich nach Clonakilty fahren sollte, aber das schien ziemlich sinnlos, da ich in weniger als zwei Stun den zu John Josephs Grillfest wieder zurück sein sollte, also fuhr ich wieder nach Mercy Close. Irgendwie konnte ich mich von dem Haus nicht lange fernhalten. Unterwegs kaufte ich ein paar Flaschen Cola light, um das, was ich von Wayne gestohlen hatte – ja, gestohlen, warum es nicht beim Namen nennen? –, zu ersetzen, und noch einmal vier Liter für mich. Ich trank gern Cola light.
An der Tankstelle zwang ich mich, ans Essen zu denken. In einem Kühlfach lagen ein paar traurige Sandwiches mit grauem Fleisch, das Schinken zu sein behauptete. Das war nichts für meinen Magen. Eine Packung Cheerios, das müsste reichen, und Bananen, wenn sie welche hatten. Aber sie hatten keine, also nur Cheerios.
Ich fand ganz in der Nähe von Waynes Haus eine Parklücke, schloss das Haus auf, schaltete die Alarmanlage aus und spürte, wie ich aufatmete. Es war so schön hier.
Zehn Sekunden später erhielt ich eine Nachricht, dass ich im Haus angekommen war. »Ja, ich weiß, dass ich hier bin, vielen Dank, ja.« Es war alles so schön.
In der Küche stellte ich die Ersatzflasche Cola in den Kühlschrank und legte meine eigenen Flaschen ebenfalls hinein, dann überlegte ich, ob das vielleicht ein bisschen frech war. Schließlich benutzte ich die Kälte des Kühlschranks, für die Wayne den Strom bezahlte. Es fühlte sich etwas unverfroren an, also nahm ich die Flaschen wieder heraus.
Ich ging ins Wohnzimmer, setzte mich auf den Fußboden und aß sieben Handvoll Cheerios. Als die Zucker welle durch mich hindurchwogte, stand ich auf und machte mich bereit für eine erneute Durchsuchung des Hauses. Ich wusste nicht, wonach ich suchte, ich wusste nur, dass ich dranbleiben musste. Ich kam zu dem Schluss, dass ich am ehesten etwas Neues im Wohnzimmer entdecken würde, weil ich da bisher nichts anderes getan hatte, als auf dem Fußboden zu liegen und an die Decke zu starren.
Als Ausgangspunkt bot sich der eingebaute Wandschrank an. Er war zweigeteilt, der obere Teil bestand aus Borden, auf dem der Fernseher, die Skybox und andere technische Geräte untergebracht waren, im unteren Teil waren Schubladen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich die Schub laden schon durchgesehen hatte. Auf jeden Fall hatte ich die oberste aufgemacht, denn da hatte ich Waynes Pass gefunden, aber war es möglich, dass ich die restlichen vergessen hatte? Es wäre mir nicht ähnlich, aber konnte es sein, dass ich in meiner Überheblichkeit, weil ich den Pass gefunden hatte und vor Jay Parker damit angeben und seinen Misserfolg auskosten wollte, diesen Fehler gemacht hatte?
In rasendem Tempo zog ich eine Schublade nach der anderen auf und entdeckte Kabel und Ladegeräte und andere Dinge von unfassbarer Langweiligkeit. Aber in der untersten Schublade fand ich eine Videokamera. Wie sie so dalag, ganz allein, sah sie völlig harmlos und gleichzeitig erstaunlich schuldbewusst aus.
Der Anblick war so unerwartet, dass ich quer durch den Raum zurückwich, dann auf Zehenspitzen wieder heranschlich und sie erneut betrachtete. Kleines, unscheinbares Ding; trotzdem war mir ziemlich unbehaglich. Videokameras sind der Heilige Gral. Oder können es zumindest sein. Man weiß nie, was sie in sich bergen. Möglicherweise perverse, belastende Nacktaufnahmen, wenn man das glaubt, was so im Web »geleakt« wird.
Ich mochte Wayne, ich wollte nicht entdecken, dass er auf perverse, belastende Nacktaufnahmen stand, aber ich hatte einen Auftrag zu erledigen.
Ich nahm die Kamera aus der Schublade, klappte den kleinen Bildschirm auf und drückte auf » PLAY «. Eine Liste von Dateien, nach Datum geordnet, wurde angezeigt. Ich wählte die neueste, ein Film, der vor zehn Tagen gedreht worden war, und machte die Augen fest zu. Keine Nacktflöten, bitte, flehte ich das Universum an. Erspart mir ein Homevideo von Waynes Nacktflöte.
Oder von seinem Schamhaar. Ich fühlte mich zu zerbrechlich, um das Schamhaar eines Fremden anzusehen. Aber im nächsten Moment versuchte ich mir Waynes Scham haar vorzustellen, und plötzlich ging meine Fantasie mit mir durch. War es möglich, dass er sich untenrum im Stil des Opernhauses
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