Glücksfall
Vonnie durchgeführten Befragung gab Bruno zu, dass er den Tanga gekauft hatte, um möglichst großes Unheil zu stiften.
Aber die Episode bestimmte den Ton für alle zukünftigen Begegnungen zwischen Bruno und mir.
43
I ch stöpselte mein Ladegerät in die Steckdose und zwang mich zu dem Gedanken, dass ich es sehr gut hatte: Ich hatte Zugang zu Strom und ein Dach über dem Kopf und ein Bett, in dem ich schlafen konnte. Aber ich war fast vierunddreißig Jahre alt, und nachdem ich geglaubt hatte, den Schritt ins Erwachsenenleben geschafft zu haben, lebte ich wieder bei meinen Eltern. Der Schmerz war grauenhaft.
Ich wollte ins Bett kriechen und alle meine Schlaftabletten nehmen und mich ganz dem Vergessen überlassen – aber plötzlich stand Mum in der Tür.
Sie warf einen Blick auf mich, und ich sah ihre entschlossene Miene: Sie würde dieses Schiff nicht untergehen las sen. »Ab ins Badezimmer mit dir!«, sagte sie. »Wir gehen zum Grillfest.«
»Nein, Mum, ich kann nicht …«
»Sage nie, das kann ich nicht. Komm schon, lass uns mal richtig über die Stränge schlagen und dir auch die Haare waschen.«
»Nein, Mum …«
»Ja, Mum.«
Sanft, aber unnachgiebig brachte sie mich dazu, mich auszuziehen und in die Badewanne zu steigen. So als wäre ich wieder ein kleines Kind. Das ging sogar so weit, dass ich laut heulte, als ich Shampoo in die Augen kriegte.
»Hör auf zu heulen«, sagte sie und wickelte mich in ein Badetuch. »Wenigstens bist du sauber. Jetzt ziehen wir dir was an. Komm schon, hier sind schöne frische Sachen, schlüpf rein.«
Sie half mir in ein knappes T-Shirt und leichte Jeans, die Claire vorbeigebracht hatte. Man musste es Claire lassen, so unzuverlässig sie auch war, gelegentlich konnte sie einen wirklich überraschen, denn diese Sachen – die sie offensichtlich bei Kate gestohlen hatte – waren genau richtig für den milden (das heißt grässlichen) irischen Sommer.
Mum bestand darauf, dass ich getönte Sonnencreme und Wimperntusche, Rouge und Lipgloss benutzte und dass ich ihr dann meinen Alexander-McQueen-Schal zeigte, den ich Claire hinterlassen wollte, als ich das erste Mal versucht hatte, mich umzubringen.
»Häng ihn dir drüben beim Fenster auf«, sagte sie. »Wo ich ihn sehen kann. Dann weiß ich, dass du dir nichts antust.«
Mit matten Bewegungen tat ich, was sie sagte. Es hatte keinen Zweck, ihr zu sagen, dass der Alexander-McQueen-Schal schon lange keine Faszination mehr auf mich aus übte. Da fiel mir ein, dass ich diesmal überhaupt keine kost baren Sachen zu verschenken hatte. Das jagte mir dann doch einen kleinen Schrecken ein. Stand es wirklich so schlimm um mich? Dass ich an »diesmal« dachte?
»Also, hier ist unsere Abmachung«, sagte sie.
»In die Tonne«, sagte ich automatisch. »Du hast gesagt ›unsere Abmachung‹.«
»Entschuldige bitte.« Sie ließ nicht locker. »Komm für zehn Minuten mit zum Grillfest. Danach kannst du mit dei ner Arbeit weitermachen.«
»Keine Arbeit mehr. Arbeit ist vorbei.«
»Gut gemacht! Der Fall ist also gelöst.«
Was sollte ich darauf sagen?
»Jetzt erzähl mir doch mal genau, worum es eigentlich ging.«
»Das kann ich nicht.«
»Sage nie: Das kann ich nicht«, insistierte sie.
»Wirklich, Mum, es geht nicht.«
»Aber die Karten für das Laddz-Konzert haben wir doch, oder?«
»Sicher.« Ich würde das schon hinkriegen. Notfalls würde ich die Karten eben kaufen.
»Das heißt, dass Jay Parker nicht mehr herkommt?«
»Jay Parker kommt ganz bestimmt nicht mehr her.«
»Aha«, sagte sie.
»Was, aha?«
»Sollte es da vielleicht doch noch etwas geben? Etwas Unerledigtes zwischen dir und Jay Parker?«
»Zwischen mir und Jay Parker gibt es nichts Unerledigtes. Ich habe einen …« Die Sache mit den Nacktfotos von Artie musste ja mal angesprochen werden, warum nicht jetzt? »Ich habe einen Geliebten.«
»Und was für einen! Ein echter Mann!«
»Warum redest du so? Welche Shows hast du im Fernsehen gesehen?«
»Ach, das Übliche. America’s Next Top Model. Was gerade so läuft.«
»Jedenfalls eins möchte ich klarstellen. Artie. Ich …« Ich zögerte. »Ich bin ihm sehr gewogen.«
»Sehr gewogen, wie? Wer hat jetzt Jane Austen gelesen? Gut, wenn du nicht arbeitest, kannst du ja auf jeden Fall mit zu Claires Grillfest kommen.«
»Zehn Minuten«, sagte ich. »Unter der Bedingung, dass wir in meinem Auto hinfahren.« Damit ich, falls notwendig, schnell flüchten konnte.
In Claires Garten hatte die Geselligkeit
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