Glücksfall
sich machen lässt.«
Ich beendete das Gespräch. Ich sollte wirklich in die Gänge kommen. Die Zeit lief, nicht nur kam der Mittwochabend näher, sondern ich musste auch meinen Vorsprung vor Walter Wolcott wahren. Aus beruflichem Stolz konnte ich es nicht zulassen, dass ein Schwachkopf wie er mir zuvorkam. Aber das konnte passieren. Er war stur und geduldig. In seinem wenig schmeichelhaften beigefarbenen Regenmantel würde er, wenn nötig, jede einzelne Frühstückspension in Irland aufsuchen. Und möglicherweise würde er Wayne auf diese Weise finden. Möglicherweise. Und ich? Ich musste auf geniale Einfälle hoffen, aber auf die konnte man sich nicht verlassen.
Ich rief Mum an und erklärte ihr, dass ich einen Scheck für einen Mann in Leitrim brauchte.
»Warum in Leitrim?«, fragte sie.
»Das ist jetzt nicht wichtig. Kannst du mir einen Scheck ausstellen, wenn ich vorbeikomme und dir das Geld gebe?«
»Natürlich. Hör mal«, sagte sie, und vor Aufregung senkte sich ihre Stimme zu einem Flüstern herab, »hast du sie gestern gesehen?«
Ich brauchte gar nicht zu fragen, wen sie meinte. Es war wirklich komisch, wie viele Leute sich Saturday Night In ansahen, obwohl die wenigsten es offen zugaben.
»Und heute Morgen in den Zeitungen schreiben sie, sie ist schwanger.« Aus Mums Stimme troff tiefe Verachtung.
»Glaubst du das denn nicht?«
»Natürlich glaube ich das nicht! Mich würde es nicht überraschen, wenn sie ein Mann wäre. Wie Lady Gaga. Sie hält uns alle zum Narren. Der arme John Joseph.« Mum seufzte. »Er hätte sich ein nettes irisches Mädchen nehmen können, stattdessen hat er jetzt einen arabischen Kerl . Hör mal, das mit dem Konzert nächsten Mittwoch geht klar, oder? Besorg uns mindestens sechs Karten, sie wollen alle mitkommen, Claire und die ganze Familie, nach der Show gestern Abend. Ich weiß, dass deine Sache mit Jay Parker vorbei ist, aber das machst du, ja?«
»Meine Sache mit Jay Parker ist übrigens nicht vorbei.«
»Wusste ich es doch!«
»Nicht so. Hör auf, dauernd davon zu reden. Ich meine, ich arbeite noch für ihn. Ich habe also zu tun. Und ich kümmere mich um diese blöden Karten, und nachher komme ich vorbei und hole mir den Scheck für den Mann in Leitrim.«
Ich legte auf. Ich wollte Jay Parker nicht um die Karten für das Laddz-Konzert bitten, so weit konnte ich mich einfach nicht erniedrigen, aber ich wusste nicht, wie ich sie ohne funktionierende Kreditkarte kaufen sollte. Wahrschein lich konnte ich persönlich zu einer Vorverkaufsstelle gehen und sie bar bezahlen, aber die Karten waren teuer, und ich hatte sehr, sehr wenig Geld.
In mir rangen Stolz und Armut miteinander, bis mir klar wurde, dass ich Jay einfach fragen musste. Um dieses demütigende Gespräch ein bisschen länger aufzuschieben, fuhr ich zum MusicDrome, und zu meiner Überraschung (von der äußerst beunruhigenden Sorte) waren alle Karten für Mittwochabend verkauft. Ich versuchte Donnerstagabend – das Gleiche. Und Freitagabend auch. Alle drei Laddz-Konzerte waren ausverkauft! Fünfzehntausend Plätze pro Abend, das waren fünfundvierzigtausend Karten. Wie das? Was war geschehen? Und so schnell? Erst gestern Abend hatte ich mir mit Artie die Verkaufszahlen angesehen, und sie waren kläglich gewesen.
Ich rief sofort Jay Parker an.
Er war außer sich, flippte fast aus. »Das ist die Publicity. Die Sache nimmt richtig Fahrt auf. Das wird riesig! Wir haben jetzt schon ein viertes Konzert in Dublin gebucht. Und ein Weihnachtsalbum. Und wir haben Anfragen aus dem Vereinigten Königreich.« Plötzlich wurde er hysterisch. »Also, wo ist Wayne? Wir brauchen Wayne!«
»Ich tue, was ich kann.« Ich wurde selbst schon ein bisschen hysterisch bei dem Gedanken, dass fünfundvierzigtausend Menschen sich darauf freuten, am Mittwoch, Donnerstag und Freitag Wayne Diffney für sie singen zu hören und tanzen zu sehen. »Hör mal, ich brauche Karten. Nicht für mich«, sagte ich schnell. »Mir geht das am Arsch vorbei. Aber für Mammy Walsh, deine gute Freundin, und alle ihre Freundinnen. Mindestens sechs. Wenn möglich Mitt wochabend. Du hast doch bestimmt welche für Freunde und Familie zurückbehalten.«
»Wenn du Wayne findest, kannst du eine Loge haben.«
»Vielen …« Ich brach ab. Ich würde mich erst bedanken, wenn ich genau wusste, was er mir da anbot. Es gab schließlich auch kleine Logen. »Was meinst du genau? Eine Loge? Wie viele Leute passen da rein?«
»Zwölf. Da passen zwölf Leute rein.
Weitere Kostenlose Bücher