Glücksfall
Und man kriegt Erdnüsse gratis.«
Bestimmt gab es da einen Haken, irgendeine Bedingung. Wenn man mit Jay Parker zu tun hatte, musste man wie ein Schachspieler agieren. Man musste ihm immer ein paar raffinierte Züge voraus sein.
»Sag mal, Parker, wer hat mich eigentlich gestern Abend überfallen?«
»Was?«
»Ach, jetzt komm.«
»Wovon redest du, Helen?«
»Gestern Abend, als ich wieder in Mercy Close war, hat mir jemand eins über den Schädel gezogen.«
»Womit?«
»Könnte ein Nudelholz gewesen sein. Eins von diesen modernen weißen, die wie ein Schlagstock aussehen.«
»Bist du verletzt?«
Ich platzte heraus: »Was denkst du wohl?«
»Ich bin sofort da.« Er brach das Gespräch abrupt ab.
Ich starrte auf mein Telefon. Bei dem Gedanken an die vielen Menschen, die alle hundert Euro geblecht hatten, um die Laddz zu sehen, wurde mir vor Angst ganz schwindelig. Das Gefühl meiner Verantwortung und die Last der Erwartungen waren so überwältigend, dass ich einen Moment dachte, ich würde den Verstand verlieren.
Mit zitternden Fingern schrieb ich je eine SMS an Sharkey und eine an den Telefonmann und bat sie dringend, mir die Informationen über Waynes finanzielle Situation und seine Telefonkontakte zukommen zu lassen. Ich wusste ja, dass Sharkey und der Telefonmann nicht faul rumsaßen und Videospiele spielten, nur um mich auf die Folter zu spannen. Die Informationen über Wayne zu beschaffen war hochgradig illegal und folglich eine heikle Angelegenheit. Ich wusste nicht genau, wie das vor sich ging, aber vermutlich mussten Zahlungen an Kontaktpersonen ge leistet werden, und diese Kontaktpersonen mussten auf eine Gelegenheit warten, bis sie Waynes Daten knacken und ihre eigenen Spuren verwischen konnten.
Ich wusste, dass meine Bitte die Sache nicht unbedingt beschleunigen würde.
Trotzdem, fragen konnte ja nicht schaden.
Dann ging ich nach oben in Waynes Büro, starrte auf den Computer und beschloss, Birdie als Passwort einzugeben. Ich war überzeugt, dass es eine realistische Möglichkeit war – der Name hatte sechs Buchstaben, und sie war wichtig für Wayne, wenn man nach dem Foto ging, das in seinem Gästezimmer stand. Ich tippte die Buchsta ben, und nach zwei kaum auszuhaltenden Sekunden erschien auf dem Monitor: »Ungültiges Passwort«. Von panischer Angst getrieben und ohne den Schlag wirklich verarbeitet zu haben, gab ich DOCKER ein. Zu meinem Entsetzen kam wieder »Ungültiges Passwort«. Mist. Mist, Mist, Mist. Verdammter Mist.
Ich hatte meine drei Versuche verpulvert. Ich hatte Gloria, Birdie und Docker eingegeben, und keins war das richtige Passwort. Ich hatte keinen weiteren Versuch mehr.
Gut. Ich würde auf der Stelle rausgehen und durch die Straßen fahren, und sobald ich einen Jungen fand, der so aussah, als könnte er mit einem Rechner umgehen, würde ich ihn mir schnappen und an Waynes Computer anketten, bis er ihn geknackt hatte. Adrenalin rauschte durch meine Adern, ich musste etwas tun, irgendetwas .
Beruhige dich, sagte ich mir, es ist nur ein Auftrag. Es geht hier nicht um Leben und Tod – so hoffte ich wenigstens –, sondern nur um einen Job. Ich rief mir ins Gedächtnis zurück, dass skrupellose Experten bereits daran arbeiteten, die relevanten Daten zu beschaffen, und in ein, zwei Tagen würde ich diese Informationen in der Hand haben. Ich brauchte also keinen Teenager zu entführen.
Langsam beruhigte sich mein Atem, und die Wogen der Angst ebbten ab.
Ich wählte Waynes Handynummer. Das hatte ich regelmäßig getan, und sein Telefon war immer abgeschaltet gewesen. Wo immer er war, auch wenn er freiwillig verschwunden war – und ich wusste wirklich nicht, ob das tatsächlich der Fall war –, musste er es doch zwischendurch mal anschalten, um seine Nachrichten abzurufen. Aber bisher hatte ich nie diesen Zeitpunkt erwischt. Und ich hatte ihm auch nie eine Nachricht hinterlassen, aber diesmal tat ich es. »Wayne, ich heiße Helen, und ich bin auf Ihrer Seite. Sie können mir vertrauen. Bitte rufen Sie mich an.«
Vielleicht rief er ja an. Vielleicht. Es waren schon merkwürdigere Dinge passiert.
Ich ging nach unten, und als ich zur Haustür kam, traf ich zu meiner Überraschung (von der schockierenden Sorte) auf Jay Parker. Mir sträubten sich in Besitzermanier die Nacken haare, bis mir einfiel, dass das Haus ja gar nicht mir gehörte.
Er war blass und wirkte schockiert.
»Zeig mir, wo«, sagte er.
»Was? Ach, meine Verletzungen.« In meiner Panik hatte ich sie
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