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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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– ob sie einen Freund hatte oder Kinder oder ob Eis ihr an den Zähnen wehtat oder ob sie Irische Setter mochte –, war sie eine echte Freundin. Sie blieb beharrlich an meiner Seite, durch den steinigen, rauchschwarzen Albtraum hindurch. Sie konn te nicht verhindern, dass ich stolperte und hinfiel, sie hatte nichts gegen meinen Schmerz, aber sie ermutigte mich weiterzugehen.
    Ohne zu übertreiben – sie war es, die mir das Weiterleben möglich machte.
    Ich überlegte, ob ich sie anrufen und bitten sollte, sich mit mir zu treffen. Aber etwas hinderte mich daran. Mein Stolz, stellte ich fest. Ich war so stolz gewesen, nach einem Jahr Therapie als geheilt zu gelten und entlassen zu werden. Als wir uns verabschiedeten, hatte sie zu mir gesagt, ihre Tür stehe immer offen, und ich hatte fröhlich geant wortet, das sei eine gute Nachricht. Aber das war nicht ernst gemeint, denn ich war überzeugt, ich sei dauerhaft geheilt. Und der Gedanke, wieder zu ihr zu gehen, in ihr Behandlungszimmer, mit meinem zerquälten Kopf, kam mir wie ein schreckliches Scheitern vor. Ganz die falsche Sichtweise, wie sie mir zweifellos gesagt hätte: Eine Therapie ist eine Beziehung, in die sich die meisten Menschen mehrmals in ihrem Leben begeben.
    Versunken in diesen Gedanken, kam ich fast bis nach Belfast, fuhr auf der Umgehungsstraße einmal um Belfast herum und dann wieder zurück Richtung Süden. Als ich die ersten Vororte Dublins erreichte, war es fast Mitternacht. Ich hielt noch einmal bei Birdie Salaman, aber immer noch deutete nichts auf ihre Anwesenheit hin. Ihre Vorhänge waren nicht zugezogen, nichts hatte sich verändert.
    Wo war sie also? Hatte ihre Abwesenheit etwas zu bedeuten? Hatte sie etwas mit Waynes zu tun?
    Oder war sie nur übers Wochenende weggefahren, um Freunde zu besuchen – vielleicht sogar einen neuen Liebhaber? Ich meine, warum nicht? Warum sollte ich nicht das annehmen, was am wenigsten ominös war?
    Immer noch im Unklaren darüber, was ich von alldem halten sollte, fuhr ich wieder zu Waynes Haus und ging hin ein. Von innen schloss ich doppelt ab und legte die Kette vor, ich wollte nicht, dass Walter Wolcott unangekündigt hereinplatzte. Ich hatte jedes Recht, hier zu sein. Ich … ja, doch, ich arbeitete hier.
    Außerdem war er wahrscheinlich zweihundertdreißig Kilo meter weit weg, in der Einöde von North Antrim, wo er gerade die Inhaberin der Frühstückspension Hyacinth aufweckte und zu wissen begehrte, ob Wayne unter einer ihrer pfirsichfarbenen Steppdecken schlummerte. Walter Wolcott ging gründlich vor. Das musste man ihm lassen – gründlich war er.
    Von Artie war ein Anruf eingegangen, aber keine Nachricht. Ich rief zurück, aber die Mailbox schaltete sich sofort ein. Wahrscheinlich war es zu spät, und er war schon zu Bett gegangen. Aber der Nachmittag hatte etwas gereizt, fast feindselig geendet, und ich hätte die Sache gern mit ihm geglättet. Ich hinterließ ihm eine freundliche Nachricht und drückte meine Hoffnung aus, dass mit Bella alles wieder in Ordnung war. Aber irgendwie war mir unbehaglich, und ich nahm eine Schlaftablette. Diesmal eine von meinen eigenen.
    Ich nützte Wayne gar nichts, wenn ich unausgeschlafen war. Mein Verstand musste wach sein, denn am Morgen würde etwas geschehen. Ich spürte das. Ich fühlte es herannahen. Und so war es auch. Am frühen Morgen erhielt ich eine Mail.

Montag

53
    S ehr früh – um 6.47 Uhr, um genau zu sein – wachte ich auf Waynes Fußboden auf. Ich hatte mir den Luxus eines Kissens für meinen schmerzenden Kopf genehmigt, mir allerdings keine weiteren Freiheiten herausgenommen.
    Eine Intuition hatte mich aus meinem chemisch erzeugten Schlummer geholt. Ich nahm mein Handy, und als ich sah, dass ein E-Mail-Bericht von Sharkey eingegangen war, dem Hacker von Finanzdaten, mit Einzelheiten aller Transaktionen auf Waynes Kreditkarten und auf seinem Bank konto, war ich plötzlich hellwach und zitterte vor Erregung. Gleich würde ich sehen, wo Wayne sich in den letzten vier Tagen aufgehalten hatte, was er gekauft und wie viel Geld er abgehoben hatte. Mir lief praktisch der Speichel im Mund zusammen.
    Sharkey schrieb, die Angaben seien komplett für die Zeit bis gestern zwölf Uhr nachts, und was in den letzten sieben Stunden passiert war, sei nicht in dem Bericht enthalten, aber das reichte mir. Ich brauchte nur die Angaben für die letzten vier Tage.
    Doch was für ein Schock war es, als ich sah, dass es keine Transaktionen auf Waynes Kreditkarten

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