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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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und sich unter seinem Bett versteckt habe. Und was hatte Zeezah noch gesagt? Irgendeine hingeworfene Bemerkung, dass Wayne bei seinen Eltern sei und sich ein paar Streicheleinheiten holte.
    Mir wurde etwas klar: Auch wenn die anderen noch so oft sagten, Wayne würde sich nicht an einem offensichtlichen Ort verstecken, auch wenn Mrs. Diffney mich mit tränenerstickter Stimme anrief – ich hatte gesehen , wie liebevoll seine Familie war, und wenn er wirklich in Not war, dann würde er sich in ihren Schutz begeben.
    Und noch etwas wurde mir klar: Hör auf Zeezah.
    Dann dachte ich: Hatte sie Roger St Leger wirklich an die Eier gelangt? Hatte sie das wirklich gemacht?
    Clonakilty war dreihundert Kilometer entfernt, ich hatte eine lange Fahrt vor mir, bei der ich Tom Dunne im Radio hören würde. Einen Augenblick lang konnte ich glauben, dass es einen gnädigen Gott gab. Ich mochte Tom Dunne. Ich mochte ihn richtig gern. Ich war in echter Gefahr, ein Tom-Dunne-Fan zu werden.
    Bevor ich aufbrach, betrachtete ich meine Verletzungen in Waynes Badezimmerspiegel. Mein linkes Auge war nicht mehr so stark blutunterlaufen, aber meine Stirn sah schlimmer aus – die Prellung fing an, sich dunkellila zu verfärben –, und ich kämmte meinen Pony wieder darüber. Auf den ersten Blick würde man nicht sehen, dass ich eine große Wunde auf der Stirn hatte. Zum Glück. Ich war im Begriff, Menschen der Mittelschicht aufzusuchen, und die hielten nicht viel von Menschen, die aussahen, als gerieten sie öfter mal in ein Handgemenge.
    Ich wollte Artie anrufen, aber dazu war es noch zu früh. Wahrscheinlich würde er sich bald bei mir melden, aber auch Jay Parker rief bestimmt bald an, um sich das Neueste berichten zu lassen, und ich würde es nicht über mich bringen, ihm von den nicht vorhandenen Transaktionen auf Waynes Kreditkartenkonten zu berichten, deshalb stellte ich mein Telefon auf leise.
    Ich aß mehrere Handvoll Cheerios, schluckte mein wunderbares Antidepressivum, spülte es mit einem ausgiebigen Zug aus einer Flasche Cola light runter und setzte mich ins Auto. Ich fuhr los in dem Wissen, dass Tom Dunnes Sendung gleich begann, und ich war zuversichtlich, dass ich es durch den Tag schaffen würde.

54
    D anke, sprechende Landkarte. Sie hatte die Eltern Diffney für mich ausfindig gemacht, nichts leichter als das. Ein frei stehender Bungalow. Ein schöner alter Garten. Riesengroße Rosen. Carol im Vorgarten in geblümtem Rock und Clogs. Mit Gartenhandschuhen. Gartenschere. Ein Kniepolster, wenn man beim Unkrautzupfen in die Knie gehen muss. (Kann man im Katalog bestellen.) Damit ist alles gesagt, man kann sich ein Bild machen.
    Als ich näher kam, stand sie auf. War es nur meine Fantasie, oder war sie auf der Hut? Eine Frau, die etwas zu verbergen hatte, nämlich einen erwachsenen Mann unter dem Bett in ihrem Gästezimmer?
    Ich stellte mich vor.
    »Das dachte ich mir schon. Haben Sie Neuigkeiten?«, fragte sie angespannt.
    »Noch nicht.«
    »Im ersten Moment dachte ich, Sie würden mir etwas … Schreckliches mitteilen.«
    »Können wir im Haus darüber sprechen?«, fragte ich.
    »Meinetwegen.« Sie nahm mich mit in die Küche. Hübsch, hell, freundlich, so wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein Stän der, an den man Becher hängen konnte, ein Gewürzregal, Fotos von den Enkeln, an einer Korkpinnwand ein Brief mit der Erinnerung an den Brustkrebs-Vorsorgetermin. Nichts, was auf Wayne hindeutete.
    »Ist Mr. Diffney in der Nähe?«, fragte ich.
    »Er ist zur Arbeit gegangen.«
    Damit hatte ich nicht gerechnet – dass ein alter Mensch eine Arbeitsstelle hatte.
    »Möchten Sie eine Tasse Tee?«, fragte Carol.
    Lieber hätte ich mir die Augäpfel angezündet, aber ich kannte die Regeln. »Sehr gern, danke. Gern stark.«
    Ich sah zu, während sie mit dem Wasserkocher und so weiter zugange war.
    »Haben Sie von Wayne gehört?«, fragte ich.
    Überrascht sah sie mich an. »Nein. Wenn ja, hätte ich Ihnen Bescheid gegeben, oder John Joseph.«
    »Wo ist er dann?«
    »Wenn ich das wüsste.«
    Log sie? Mit ihrer sanften Dauerwelle und ihrer Wohlerzogenheit konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht grundehrlich war. Eindeutig ein Fall von Voreingenommenheit meinerseits. Hätte sie eine Dose Bier auf der Anrichte stehen gehabt und Zigarettenasche auf der Trainingshose, hätte ich sie bestimmt anders eingeschätzt.
    »Erzählen Sie mir, was Sie wissen. Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen?«
    »Mittwoch, irgendwann am frühen

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