Glücksfall
aschfahl. »Es ist noch so viel zu tun: die Soundchecks, die Kostümproben, das Merchandising … Morgen früh kommen im Hafen vierzigtausend T-Shirts mit Laddz-Aufdrucken aus China an. Außerdem zwanzigtausend Laddz-Schals. Wir müssen die Programme drucken, die Pashminas …«
»Pashminas!« Ich stieß das Wort verächtlich hervor. Man stelle sich einen Laddz-Pashmina vor! Wäre das nicht ein bedauernswerter Mensch, der so etwas tragen würde?
»Wenn Wayne nicht zurückkommt, was machen wir dann mit dem ganzen Zeug?« Es klang, als würde Jay zu sich selbst sprechen.
»Wirf einfach alles ins Meer«, sagte ich.
»Es ist schon bezahlt.«
»Warum das denn?«
»Die Hersteller wären wohl kaum damit einverstanden, dass wir die nicht verkauften Sachen zurückschicken. Was sollen die denn mit übrig gebliebenen Laddz-Pashminas? Wir müssen die Dinger verkaufen, wir haben ein Vermögen dafür bezahlt.«
»Ach, entspann dich«, murmelte Roger, aber ihm schien auch ein bisschen mulmig zu werden.
»Und dann die Medien«, sagte Jay. »Himmel, die Medien! Am Wochenende haben wir Termine beim Radio und Fernsehen. Wie sollen wir denen erklären, dass Wayne nicht da ist, der Verrückte?«
»Bis dahin ist er zurück«, sagte Roger. »Außerdem«, fuhr er an mich gerichtet fort, »ist Wayne nicht verrückt. Verrückt ist das Letzte, was er ist.«
Ich stellte Roger die üblichen Fragen und bekam auch von ihm nur negative Antworten – keine Drogen, keine Kredithaie, keine Freundin, keine Ahnung, wie sein Passwort lautete.
»Wo hält er sich Ihrer Meinung nach auf?«, fragte ich.
Er seufzte. »Wahrscheinlich ist er zu Hause und versteckt sich unterm Bett.«
»Warum sagen Sie das?«
»Es ist so. Wir sind erwachsene Männer. Dieses Comeback … keiner von uns will auf der Bühne herumhüpfen, alle in den gleichen Kommunionsanzügen, wie wir das gemacht haben, als wir jung waren.«
»Außer Frankie«, sagte Jay.
»Außer Frankie. Aber für uns andere ist es peinlich. Nur, haben wir eine Wahl? Es ist eine Möglichkeit, ein paar Kröten zu verdienen, und wir sind alle pleite.«
Überrascht sagte ich: »Auch John Joseph?«
Er lachte bitter. »Sie haben ihn kennengelernt? Sie lieben ihn? Sie liebt ihn«, sagte er zu Jay. »Alle lieben ihn.«
»Entschuldigen Sie bitte, ich mochte ihn, aber …«
»Und Zeezah? Entzückend, nicht wahr?«
»In gewisser Weise, ja, fand ich schon.«
»Hören Sie mir zu. Wie heißen Sie noch? Helen? Wahrscheinlich habe ich mehr Geld als John Joseph. Ja, ich weiß, Sie denken, so wie das hier aussieht, aber glauben Sie mir, es kostet ein Vermögen, diese Hartley-Show am Laufen zu halten – Alfonsos und irische Wolfshunde sind nicht gerade billig. Und jetzt, nachdem Zeezah sich von ihrem Label getrennt hat und John Joseph seine eigene Knete in sie investieren muss, steckt er bis zum Anschlag in Schulden.«
Ich brauchte einen Moment, um das zu verdauen. »Und der Aston Martin?«, sagte ich zu Jay.
»Verkauft«, mischte Roger sich ein. »Wie der Bugatti, wie der Lamborghini und die beiden Corvettes. Jetzt hat er nur noch Zeezahs Evoque, und der wird auch noch verkauft, wenn sich nicht was ändert.«
Himmel. War das wirklich wahr? Ich warf Jay einen kurzen Blick zu, und sein Ausdruck sagte mir, dass es genauso war. Einen Moment lang war ich wie erstarrt, dann fing ich mich und beschloss, die Sache von einer anderen Seite anzugehen.
»Mögen Sie Wayne?«, fragte ich Roger.
»Ob ich ihn mag? Ich liebe ihn. Wayne ist wie ein Bruder. Alle Laddz sind für mich wie Brüder.«
»Wenn Sie den Sarkasmus mal einen Moment lang weglassen könnten …«
Roger dachte nach. Es sah aus, als hätte er sich diese Frage noch nie gestellt. »Doch, ich mag Wayne.«
»Sie müssen ihn ja recht gut kennen, nachdem Sie zusammen in der Band waren und so eng miteinander gearbeitet haben.«
»Ja, schon, aber … das ist alles lange her. In den letzten –was?, zehn? fünfzehn? – Jahren, seit die Laddz sich getrennt haben, habe ich ihn kaum gesehen. Er und ich, wir sind nicht eng miteinander, nicht wie er und John Joseph. Aber er ist ein anständiger Typ. Er hat Prinzipien .« So wie er es sagte, klang es wie eine Krankheit. »Zu viele Prinzipien. Man sollte sich das Leben nicht so schwer machen.«
»Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte ich. »Überlegen Sie bitte, wo Wayne zum jetzigen Zeitpunkt sein könnte. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf.«
»Ist gut. Ich glaube, Wayne irrt ziellos durch die Straßen, in
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