Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
auch wenn die Menschen denken, es ist reine Fantasie, ist doch immer etwas Wahres dran.
    »Ich glaube, Wayne hat …«, sagte Frankie, »… einen Camper gemietet und fährt jetzt in Connemara herum und fotografiert Ginsterbüsche.«
    »Hat er mal gesagt, dass er sich für Camper interessiert? Oder für Ginster?«
    »Nein. Aber du hast gesagt, ich soll mir was ausdenken.«
    »Wer ist Gloria?«, fragte ich und hoffte, er wäre überrascht.
    »Gaynor? Estefan?«
    Himmel. »Sonst kennst du keine Glorias?«
    Es hatte keinen Sinn. Ich konnte seine Aufmerksamkeit nicht halten. Er war aufgedreht und fahrig, und obwohl er Nähe herzustellen schien, indem er dauernd meinen Namen sagte, sah er mir kaum in die Augen. Vielleicht log er hinter der billigen Fassade, und ich würde es nicht merken. Wir tauschten Telefonnummern aus, dann verabschiedeten Jay und ich uns.

9
    R oger St Leger – der Sonderling – war eine Überraschung (von der interessanten Sorte). Typ Lüstling. Irgendwie sexy, aber auf eine kaputte, gescheiterte Art.
    Er lebte in einer Geistersiedlung in einem Vorort weit draußen, und wenn es nicht mitten in der Nacht gewesen wäre, hätten wir Stunden für den Weg gebraucht.
    Ich überredete Jay hinzufahren, denn ich war zwar einerseits erschöpft, aber andererseits putzmunter und hellwach. Der Gedanke, in einem Bett zu liegen, während Katastrophengedanken durch meinen Kopf rasten, war mir unerträglich. Da war es doch besser, meine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken.
    »Heißt das, du nimmst den Auftrag an?«, fragte Jay.
    Da war ich mir noch nicht sicher. Mir gefiel die Idee, Geld zu verdienen, und dass ich etwas zu tun haben würde, war auch in meinem Sinne, aber ich wollte mich nicht auf diese Sache einlassen, wenn sie sich als tückisch erwies. »Ich muss erst mal sehen …« Und ein paar Mails schicken. Ich nahm mein Handy und schrieb zwei kurze Mails. Wenn ich die Antworten hatte, würde ich meine Entscheidung treffen. »Ich sag dir bald Bescheid. Eine Frage«, sagte ich, während wir fuhren, »sind sie alle religiös? Die Laddz?«
    »Nein.« Er klang entrüstet.
    »Aber was sollte das mit Frankie – wie er das Kreuz küsst und dem Mann da oben dankt?«
    »Alles Getue. Völlig bedeutungslos. Gut, John Joseph ist religiös, das stimmt«, sagte er. »Aber Wayne nicht.« Und mit einem gewissen Trotz fügte er hinzu: »Und Roger ist auf keinen Fall religiös.«
    Plötzlich schien das Stück Autobahn vor uns … irgendwie … ich weiß auch nicht. Bedeutungsvoll. Vertraut, vielleicht.
    »Wo sind wir?«, fragte ich.
    Jay ging es ähnlich. Er sah mich nicht an, und er wollte mir offensichtlich nicht antworten. »Lies die Schilder.« Er zeigte auf das große blaue Schild über den vier Fahrspuren.
    »Da steht, nächste Ausfahrt Ballyboden«, sagte ich.
    »Jetzt weißt du es.«
    »Das ist doch Scholarstown, oder?«
    Wo Bronagh wohnte. Oder früher gewohnt hatte. Keine Ahnung, ob sie noch da war.
    Rogers Wohnungseinrichtung sah von vorn bis hinten so aus, als wäre sie in Eigenarbeit zusammengebaut worden. Billig, minderwertig, schäbig, hässlich. Das Sofa stand auf schiefen Beinen, auf dem Teppich waren Kaffeeflecken. Zumindest hoffte ich, dass es Kaffee war.
    »Toll, was du aus der Wohnung gemacht hast«, sagte Jay. »Wie kommt es, dass du noch auf bist?«
    »Zeit für meinen Frühsport.« Der Sarkasmus eines Menschen mit ausschweifendem Lebensstil, begriff ich; er war eindeutig noch nicht im Bett gewesen.
    »Trinkst du allein?« Jay hob eine halb leere Wodkaflasche auf.
    »Jetzt nicht mehr«, sagte Roger. »Wer ist sie?« Er musterte mich von oben bis unten, ganz anders als John Joseph es getan hatte. Im wirklichen Leben hatte Roger die Ausstrahlung eines Bösen, was sich auf Fotos und im Fernsehen nicht vermittelte. Er hatte eine schwarze Mähne, ähnlich wie Bryan Ferry, und lange, schlaksige Gliedmaßen. Aber er sah verlebt aus – schwer zu glauben, dass er erst siebenunddreißig war.
    »Helen Walsh«, sagte Jay. »Privatdetektivin, angesetzt auf die Suche nach Wayne.«
    »Ach je.« Roger sank auf seine schäbige Couch. »Kannst du ihn nicht in Ruhe lassen? Gib dem armen Kerl doch zwei Tage. Der kommt schon zurück.«
    »Auf gar keinen Fall. Die Uhr läuft. Wir stellen eine Show mit Weltklasseniveau auf die Beine. Nächsten Mittwoch ist das erste Konzert, Roger, falls du es vergessen hast. Heute in sechs Tagen. Heute in sechs Tagen «, sagte Jay noch einmal. »O Gott.« Er wurde

Weitere Kostenlose Bücher