Glücksfall
sagte ich, »ich muss es einfach wissen: Welche Beziehung haben Sie zu der Mutter Ihrer Kinder?«
»Wir sind geschieden.«
»Erst seit Kurzem?« Ich versuchte, teilnahmsvoll zu klingen.
»Ist schon ein paar – zwei? – Jahre her.«
»Ah. Doch schon eine Weile. Reichlich Zeit, dass die Wun den heilen konnten.«
Er sah mich an, sah mich lange unverwandt an, und schließlich schüttelte er den Kopf und lachte leise.
Ich war wirklich ziemlich scharf auf diesen Artie Devlin. Gern hätte ich achtundvierzig Stunden in einem Hotelzimmer mit ihm verbracht. Aber mehr auch nicht. Ich wollte keine Komplikationen. Ich wollte keine Diskussionen um zwei Uhr nachts darüber, »in welche Richtung die Beziehung geht«. Ich wollte nicht, dass die Bedürfnisse seiner Kinder so wichtig waren wie meine eigenen.
Denn so sieht es aus, wenn man mit einem Mann zusammen ist, der Kinder hat. (Schwer für eine Frau, das zuzugeben, weil sie Angst hat, für egoistisch gehalten zu werden, und egoistisch darf eine Frau auf gar keinen Fall sein.)
Ich hatte mich von alleinstehenden Vätern zurückgehalten, weil ich wusste, wie sie waren – besorgt um ihre Kinder und deren Wohlergehen, immer darauf bedacht, vorsichtig vorzugehen, weil man ihnen nicht alle fünf Minuten eine neue Freundin vorsetzen konnte. Eine Einstellung, die keinen Spaß machte, wenn man auf Spontaneität ohne Verpflichtung aus war.
Und natürlich, das Einzige, was noch schlimmer war als ein Mann, der Angst hatte, seinen Kindern zu viel zuzumuten, war ein Mann, dem das scheißegal war.
Ich dankte also Artie für seine Hilfe, versicherte ihm, dass ich mich erkenntlich zeigen würde, wenn sich die Gelegenheit ergab, und machte mich – ein klein wenig traurig – auf den Weg.
In den Wochen darauf hatte ich reichlich Gelegenheit, an Artie zu denken. Seine Erläuterungen erwiesen sich als äußerst hilfreich, weil sie mir den Fall erschlossen. Das bedeutete, dass ich meiner Klientin sagen konnte, wie viel Geld ihr fremdgehender Mann wirklich hatte, was wiederum sie in die Lage versetzte, ihn damit zu konfrontieren und das zu fordern, was ihr zustand. Damit war der Fall geklärt, und das wäre mir ohne Artie Devlin nicht gelungen.
Als ich das Abschlusshonorar von meiner dankbaren Klientin erhielt, fand ich, dass es angebracht war, mich bei Artie mit einem Geschenk zu bedanken. Nichts Großes, nichts Umwerfendes, aber etwas, das irgendwie von Bedeutung war. Ich grübelte und grübelte, und schließlich hatte ich die Idee für das perfekte Geschenk: ein Skalpell.
Ein paar Leute versuchten mir das auszureden. Eine Flasche Whiskey sei eher angemessen, sagten sie, und ihre Stimmen klangen schrill vor Bedenken. Oder eine Packung Kekse. Aber ich war mir sicher – ein Skalpell war genau das Richtige. Es würde Artie an mich erinnern, an unser Gespräch über »Ärzte ohne Grenzen«. Ich war überzeugt, dass es ihm gefallen würde.
Ich kaufte also ein kleines, glitzerndes Skalpell und verpackte es – in einer ganz untypischen Anwandlung von Sicherheitsdenken – in einem Karton, den ich in Meter von Luftkammerfolie wickelte, dann schrieb ich »Vorsicht!« auf ein neongelbes Post-it. Beruhigt, dass sich so niemand versehentlich die Finger abschneiden würde, schrieb ich einen kurzen, aber aufrichtigen Brief an Artie und dankte ihm für seine Hilfe. Und obwohl Claire, Margaret und sogar Bronagh besorgt fragten, ob mit meinem Kopf alles in Ordnung sei, und mich daran erinnerten, dass ich erst kürzlich die Antidepressiva abgesetzt hatte, war ich überzeugt, dass ich es genau richtig gemacht hatte.
Doch vier Tage darauf traf ein Päckchen bei mir ein, und als ich es öffnete, fand ich darin das Skalpell.
Ich starrte es an und fühlte mich erstaunlich ernüchtert.
Enttäuschung, das war das Gefühl, Enttäuschung, dass Artie den Witz nicht verstanden hatte, dazu das Gefühl, unerwartet zurückgewiesen worden zu sein. Doch dann las ich den Begleitbrief.
Liebe Helen, hieß es da, so hübsch dies auch ist und so angenehm die Erinnerungen an den gemeinsam verbrachten Nachmittag sind, die es weckt, ist es leider so, dass Menschen im öffentlichen Dienst keine Geschenke annehmen dürfen. Deshalb schicke ich dies mit Bedauern zurück. Artie Devlin.
Mir gefiel der Ton des Briefes, mir gefiel seine Handschrift – insbesondere gefiel mir die Tatsache, dass er keine Smileys anstelle der i-Punkte gemacht hatte. Und die Erinnerung war plötzlich sehr lebendig: wie attraktiv er war in seiner
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