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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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hatte jemand einfach aufgelegt. Es war eine Handynummer, und ich konnte mir vorstellen, dass es ein Taxifahrer war. Da Wayne nicht sein Auto genommen hatte, bestand die Möglichkeit, dass er ein Taxi dahin genommen hatte, wo er hin wollte – vorausgesetzt natürlich, dass sein Ver schwinden freiwilliger Natur war oder dass nicht ein Freund ihn abgeholt hatte –, und heute rufen Taxifahrer immer an, um zu sagen, dass sie vor der Haustür stehen, weil sie zu faul sind, auszusteigen und die paar Meter zur Tür zu gehen. Kein Wunder, dass wir eine Nation von Fettsäcken sind.
    Ich nahm mein Handy und wählte diese Nummer. Nach fünfmal Klingeln schaltete sich die Mailbox an. Eine Männerstimme, älter und ein bisschen rau. »Hier Digby. Sprechen Sie nach dem Signalton.«
    »Digby, hier ist Helen.« Ich zwang mich beim Sprechen zum Lächeln, was immer schwierig ist, selbst in guten Momenten, aber es lohnt sich. Wenn man einen Unbekannten anruft, sollte man so tun, als würde man ihn kennen. Oft glauben die Angerufenen dann, sie seien mit einem befreundet und zum Helfen aufgerufen. Ganz schön schwierig für Menschen wie mich, aber die Sache ist so: Wenn ich eine sonnige Persönlichkeit hätte , wäre ich nicht Privatdetektivin, sondern hätte einen Job in einer PR-Agentur, ich würde hochhackige Schuhe tragen, mit weißen Zähnen lächeln, allen das Gefühl geben, sie seien etwas Besonderes, und ein entsprechendes Gehalt kassieren. »Hören Sie, Digby, als Sie Wayne Diffney am Donnerstagmorgen abgeholt haben, in …« Wie lautete eigentlich die verdammte Adresse? Ich ging die Briefe durch, die an dem Morgen gekommen waren. (Ein Fan-Brief »an Lovely Wayne, Am Meer, Dublin, Irland«. Das nützte mir gar nichts. Ich suchte weiter und fand einen ordentlich adressierten Brief.) »… in Mercy Close Nummer vier. Das ist gleich an der Küste in Sandymount. Jedenfalls, er glaubt, er hat etwas auf dem Rücksitz liegen lassen, und bietet eine Belohnung. Nur eine kleine, nicht dass Sie denken, Sie können sich davon ein Haus in St Barts kaufen …« Mein Seelöwenlachen stieg mir in der Kehle hoch, und mein Brustkorb bebte. Ich müsste wirklich mal lernen, richtig zu lachen. »Rufen Sie mich also zurück. Meine Nummer haben Sie ja.« Natürlich hatte er meine Nummer nicht, aber wenn ich sagte, er hatte sie, würde er glauben, dass wir uns kannten und dass ihm das entfallen sei, vielleicht in einem frühen Stadium von Alzheimer. »Falls Sie sie nicht finden können, sie lautet …« Und ich ratterte meine Handynummer runter.
    Möglich war es, dass er zurückrief. Die meisten Leute sind scharf auf eine Belohnung. Aber es war ebenso möglich, dass Digby solche Tricks schnell durchschaute. Oder er wusste, dass nichts im Auto liegen geblieben war, und er hatte Angst, man würde ihn des Diebstahls verdächtigen. Oder Wayne hatte ihn großzügig dafür bezahlt, dass er den Mund hielt und nicht sagte, wo er Wayne abgesetzt hatte. Es gab endlose Abwandlungen, die alle auf der Annahme basierten, dass Wayne freiwillig verschwunden war. Aber das war vielleicht nicht der Fall, und wenn es nicht der Fall war, dann musste ich schnell herausfinden, wo er war.
    Wieder sah ich mich voller Bewunderung in Waynes Wohnzimmer um. Schön. Ich wollte es nicht abwerten, indem ich es als »gemütlich« bezeichnete, aber es war kein ausgesprochen männliches Zimmer mit harten, kantigen Linien und braunen Eames-Ledersesseln. (Sie bringen mich zum Gähnen, Eames-Sessel, sie sind so fantasielos.) Nein, in diesem perfekt ausbalancierten Raum standen ein wunderschönes Sofa und zwei Sessel, mit unterschiedlichen, aber farblich aufeinander abgestimmten Polsterstoffen bezogen. Es gab einen Kamin – bestimmt gehörte er zu der ursprünglichen Ausstattung – und ein hohes Fenster mit einem Metallrahmen – auch das sicherlich original – mit einer Jalousie davor.
    Rechts vom Kamin waren in die Nische Borde und Schub laden eingebaut – sehr hübsch, von exzellenter handwerklicher Qualität, lackiert in … ich rate nur, ich rate, aber ich hätte mein Leben drauf verwettet: Grünspan von Holy Basil.
    Aber, wie bei Männern offenbar unerlässlich, war eine ganze Wand mit CDs vollgestellt. Ich hätte die eine oder andere rausziehen sollen, vielleicht hätte sie mir etwas über Wayne gesagt, aber ich brachte es einfach nicht fertig. Ich habe kein Interesse an CDs, nicht das geringste Interesse an Musik. Es langweilt mich zu Tode. Und es geht noch weiter – tief in

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