Glücksgriff
strahlend weiß, dass sie in der Dunkelheit leuchteten wie Neon …
»Dir ist klar, dass ich dieses Rennen gewinnen musste«, erzählte ihr Miles. »Ich dachte, du wärst nicht mehr an mir interessiert, wenn ich verlöre.«
»Du hast Recht. Ich wäre es nicht mehr gewesen. Ich bin da ziemlich heikel.«
»Was?« Der Lärmpegel war teuflisch. Es war schwer, lässig und witzig zu sein, entdeckte Miranda, wenn nur ab und zu ein Wort es schaffte, das Gewirr zu durchdringen.
»Egal, ich sehe dich später.« Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Während des Rennens – hast du da das Schwein getragen?«
»Wer ist ein Schwein?« Miles’ Stimme wurde leiser. »Bleib dran, man hört nichts mehr, dieses Telefon ist nutzlos.«
»Bis später«, schrie Miranda wieder, als es anfing zu rauschen. »Tschüs!!«
Keine Florence, keine Chloe. Verdammt, nicht mal Danny Delancey, dachte Miranda, als neun Uhr näher rückte. Wenn er der letzte Mensch war, den man sehen wollte, konnte man sicher sein, dass er auftauchte. Aber wenn man tatsächlich nichts dagegen hatte, ihn zu sehen – damit er Zeugnis des hinreißenden Anblicks wurde, wie man selbst von einem der hinreißendsten, glamourösesten Männer überhaupt erobert wurde – nun, dann hatte man … wie viel Glück? Ja, genau. Gar keins.
Stattdessen war Danny irgendwo mit einer Schlampe unterwegs und ergötzte sie zweifellos mit der erheiternden Geschichte von dem lächerlichen verblendeten blauhaarigen Mädchen, das doch tatsächlich glaubte, es habe etwas mit Miles Harper …
Typisch, dachte Miranda frustriert. Gerade wenn ich auch so phantastisch aussehe.
Neun Uhr kam und ging.
Dann zehn und elf Uhr.
Miranda verzieh es ihm. Er hatte schließlich gerade den Grand Prix gewonnen.
Um Mitternacht sprühte sie noch etwas Parfüm auf, putzte sich noch einmal die Zähne und frischte vorsichtig den Lippenstift auf.
Um halb eins goss sie Orangensaft auf ihre weiße Samtweste. Miranda, die sich hartnäckig weigerte zu glauben, dass Miles doch nicht auf dem Weg war, schrubbte den orangefarbenen Saftfleck mit reinem Ariel aus dem Top, wusch es, blies es mit Chloes Föhn trocken und zog es wieder an.
Um zehn nach eins wich die Sorge plötzlich der Erleichterung. Sie hörte das Geräusch eines Taxis, das vorm Haus vorfuhr. Miranda packte ihre Tasche und rannte zur Tür. Okay, er kam also zu spät, aber es war ihr egal. Was machten schon vier Stunden angstvollen Wartens und ernsthaften Nägelkauens? Miles war aufgetaucht, oder? So viel zu Rennbahn-Groupies, dachte Miranda fröhlich und riss die Haustür auf. Nicht alle Männer waren bezaubert vom Anblick von Strandballbrüsten. Ha, manche zogen tatsächlich Ping Pong vor …
»Hi«, keuchte Chloe, die ihre Übernachtungstasche in den Flur schleppte. »Du bist noch auf – bist du gerade erst wiedergekommen? Uff. Ich bin erledigt, ein Tag bei meiner Mutter ist schlimmer als ein Triathlon.« Sie zog eine Grimasse und machte die Tasche auf. »Warte, bis ich dir zeige, wie viel sie für das Baby gehäkelt hat.«
Miranda konnte nicht sprechen. Enttäuscht war nicht das richtige Wort. Sie biss sich auf die Lippe und sah zu, wie Chloe eine Flut von Puppenjäckchen, Strickjäckchen und Schühchen aus der Tasche zog.
»Ist das zu fassen? Ich glaube, sie häkelt sogar noch im Schlaf«, staunte Chloe. »Und dies ist nur das Zeug, das ich tragen konnte. Sieben Mützen, ich frage dich, wie viele Köpfe, glaubt sie, dass dieses Baby haben wird? Himmel, meine Kehle ist trocken, lass mich den Kessel aufsetzen.« Sie drückte sich an Miranda in Richtung Küche vorbei. »Willst du eine Tasse Tee?«
»Hm, nein, danke.«
»Florence noch nicht zurück? Ehrlich, sie ist ja zu einer völligen Rumtreiberin geworden! Ich wette, sie amüsieren sich phantastisch in Edinburgh? … Ist das nicht schrecklich mit Miles Harper?«
Miranda, deren Arme voll waren mit den weichen, handgehäkelten Babysachen, die Chloe ihr zugeworfen hatte, fühlte, wie das Blut in ihren Venen stockte.
»Ist was nicht schrecklich? Er hat das Rennen gewonnen.«
In den Millisekunden vor Chloes Antwort beschwor Mirandas Geist eine beruhigende Erklärung herauf. Es hatte eine Kommissionsuntersuchung gegeben – oder wie man das in Motorrennsportkreisen nannte – und man hatte Miles den Titel aberkannt, weil man ihn des gefährlichen Fahrens für schuldig befunden hatte … oder weil er nicht genug Runden gefahren war … oder weil er beim Dopingtest durchgefallen war,
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