Glücksgriff
einen
Evening Standard
mitzunehmen. Der winzige, voll gestopfte Laden roch nach Patschuliöl, und die plumpe Asiatin mittleren Alters hinter dem Ladentisch saß auf einem Hocker und sah fern. Als sie Danny erblickte, wischte sie sich die Augen mit dem Saum ihres smaragdgrünen Saris.
»O Gott, schauen Sie mich an, was müssen Sie von mir denken? Es ist aber auch so traurig, nicht wahr, so ein netter Junge … Also, was kann ich für Sie tun, Sir?«
Der Fernseher, der auf einem Stapel Zeitschriften balancierte, zeigte noch einmal das Interview vor dem Rennen zwischen Miles Harper und dem aufgeregten Kommentator. Miles saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, lächelte völlig entspannt und beantwortete Fragen über die Vorbereitungen für das bevorstehende Rennen. Als er den Kragen seines Leinenhemdes öffnete und offenbar geistesabwesend begann, mit der Kette um seinen Hals zu spielen, lehnte sich Danny vor, um besser sehen zu können. Er hatte dieses Interview noch nicht gesehen, doch er kannte den Gegenstand an der Lederkette. Er gehörte Miranda – er hatte ihn entdeckt, als er in ihrem Zimmer gefilmt hatte.
Er lauschte gespannt und hörte den Reporter sagen: »… Daisy Schofield, stimmt’s?«
»Nein, aber ich habe eine Nachricht für die schöne Frau in meinem Leben.« Miles hielt inne und lächelte sein berühmtes lässiges Lächeln, dabei zeigte er absichtlich der Kamera das Kupferschwein, drehte es nach allen Seiten, um die Studiobeleuchtung einzufangen. »Und die lautet, wenn man die Richtige trifft, weiß man das. Das ist mir passiert, und ich …«
Der Interviewer griff in diesem Augenblick ein, um Schluss zu machen. Miles, der mitten in dem entscheidenden Satz unterbrochen worden war, grinste und verdrehte mit gutmütiger Resignation die Augen.
Die Aufzeichnung endete ähnlich abrupt, und die Inderin schnäuzte sich geräuschvoll in ein rosafarbenes Tuch.
»Es tut mir Leid, normalerweise bin ich nicht so. Aber können Sie sich vorstellen, wie sich seine arme Freundin fühlen muss? Ich habe sie vorhin im Fernsehen gesehen, oh, sie war in einem schrecklichen Zustand. Sie wollten nämlich heiraten.« Sie blätterte durch eine der Morgenzeitungen und schob sie über die Theke, sie zeigte Danny ein Foto von Miles und Daisy bei einem Polospiel. »Ist das nicht das Traurigste auf der Welt?«
Es fühlte sich seltsam an, wieder zu arbeiten, zu erkennen, dass der Rest der Welt mehr oder weniger so weitermachte, als ob nichts geschehen wäre. Miranda, die am Vorabend Fenn und Bev alles erklärt hatte, wusste, dass Fenn den Rest des Personals aufgefordert hatte, nett zu ihr zu sein. Sie beschäftigte sich so viel wie möglich, kochte Kaffee und erledigte Aufträge, shampoonierte Köpfe und fegte auf.
Kunden waren Kunden, Geschäft war schließlich Geschäft. Das Leben ging weiter.
»Entschuldigung, ist Miranda hier?«
Bev las heimlich einen Artikel in der
Cosmo
darüber, wie man Fett aus den Schenkeln saugt und in die Lippen injiziert – Himmel, doch sicher nicht alles –, als ihr klar wurde, dass man mit ihr sprach. Voller Schuldgefühle, weil sie erwischt worden war, schob sie die Zeitschrift unter den Ladentisch und schenkte dem Mann, der die Frage stellte, ihren einschüchterndsten Blick. Stämmig gebaut, Ende zwanzig, ungekämmtes hellbraunes Haar und ein nicht besonders gepflegtes Äußeres … o ja, er entsprach der Beschreibung.
»Miranda wer?«
Er warf ihr einen müden Blick zu.
»Bitte, ich weiß, dass sie hier arbeitet. Ich muss sie sehen, ja?«
Bev ärgerte sich über seine arrogante Art. Fenn hatte sie noch heute Morgen gewarnt, sie solle auf der Hut sein vor Journalisten. Wenn jemand käme, der Fragen über Miranda stellte, solle Bev nichts sagen und ihn abwimmeln.
Kein Problem. Männer abzuwimmeln war Bevs Spezialität. Bedauerlicherweise auch dann, wenn sie es gar nicht wollte.
»Miranda ist nicht hier.« Während sie sprach, bewegte sich Bev leicht, um dem Mann die Sicht auf den Salon zu versperren.
Zu ihrem Ärger griff er über die Theke, packte sie bei den Ellbogen und setzte sie entschlossen wieder hin.
»Doch, da ist sie. Dort drüben, sehen Sie?« Er zeigte auf Miranda, die gerade mit einem Berg Handtüchern aus dem Hinterzimmer auftauchte.
»Sie will Sie nicht sehen«, antwortete Bev entschlossen. Typisch, so etwas musste passieren, wenn Fenn gerade für zehn Minuten mal nicht da war.
»Sie halten mich für einen Journalisten, stimmt’s? Ich bin kein
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