Glücksgriff
Michael, wie du sehen kannst, muss man Daisy Schofield aus ihrer Limousine heraushelfen. Sie ist vollkommen fassungslos … umklammert einen wunderbaren Kranz aus blassgelben Lilien … eine zarte Gestalt, ganz in Schwarz. Ich muss sagen, Michael, das Herz geht einem auf für sie in so einer furchtbaren, furchtbaren Zeit.«
»Soll ich ausschalten?«, fragte Chloe besorgt.
Miranda schüttelte den Kopf. Sie wollte alles sehen. Alles.
»… kaum fähig zu stehen, wird sie auf beiden Seiten von Pflegern gestützt. Daisy, Daisy, wir haben eine Liveverbindung zum Studio, ich frage mich, ob Sie sich in der Lage fühlen, ein paar Worte zu sagen.« Der Reporter vor Ort schob Daisy ein Mikro unter die Nase. »Vielleicht könnten Sie uns sagen, was Sie im Moment empfinden.«
Auf der Skala der dummen Fragen nahm diese zweifellos den ersten Platz ein.
Miranda fragte sich, wie der Mann reagieren würde, wenn Daisy ihre Sonnenbrille abnähme, ihn angrinste und sagte: »Ach, nicht zu schlecht, tatsächlich ziemlich munter – und Schwarz steht mir doch, oder?«
Egal, das würde nicht passieren. Jeder konnte nur erraten, wie Daisys Augen hinter den dunklen Gläsern aussahen, doch ihr Mund bebte vor Trauer. Sie drückte die gelben Lilien an ihre Brust, wandte sich dem Reporter zu und flüsterte mit gebrochener Stimme: »Ich habe ihn so geliebt, und er hat mich geliebt. Wir wollten heiraten … er hat mich Freitagabend gebeten, ihn zu heiraten … Wir waren so glücklich … Oh, es ist wie ein schrecklicher Albtraum. Mein Leben ist vorbei, vorbei!« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf und fuhr fort: »Ich habe solche Schuldgefühle, weil er nach London zurückgerast ist, um mich zu sehen. O Gott, ich kann es nicht ertragen!« Daisy sank in die Knie, barg das Gesicht in den Lilien und brach völlig zusammen; sie gab herzzerreißende Schluchzer von sich und schlug mit den Fäusten auf den Boden.
Chloe wand sich bei dem Schauspiel, es juckte sie abzuschalten, und sie sagte empört: »Sie lügt, es ist alles nur Show. Miles fuhr zurück, um
dich
zu sehen.«
»Vielleicht auch nicht.« Miranda hielt den Blick auf den Schirm gerichtet. »Vielleicht lügt sie doch nicht. Vielleicht hat mich Miles nur hingehalten und so getan, als ob er mit ihr Schluss gemacht hätte.«
»Aber du hast sie am Telefon gehört«, protestierte Chloe. »Du hast mir erzählt, dass sie ihn angeschrien und ihn einen Schuft genannt hat.«
»Jemand hat ihn einen Schuft genannt. Es hätte jeder sein können, der so schreit.« Miranda wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Sie sah Daisy Schofield im Fernsehen zu, wie ihr auf die Füße geholfen wurde. Einer ihrer stämmigen Pfleger hatte ihr ein Spitzentaschentuch gereicht, und Daisy betupfte sich unter ihren dunklen Gläsern und stammelte wie im Fieber: »Er hat mir gehört, nur mir.«
Chloes Kopf fuhr hoch. Diesen Satz hatte sie schon mal gehört. Und besser noch: Auch die Stimme war dieselbe.
»Sie hat hier angerufen! Am Samstagnachmittag. Ich dachte, es sei jemand, der mich dazu bringen wollte, mich von Fenn fern zu halten!«
»Dich gewarnt? Warum sollte das jemand tun?« Miranda war für kurze Zeit abgelenkt. »Du bist schwanger.«
»Ich weiß.« Chloe kam sich unglaublich dumm vor. »Es kam mir nur einfach nicht in den Sinn, dass derjenige versucht haben könnte, die Falsche zu verschrecken.«
»Wir verlassen jetzt Daisy Schofield, damit sie in Frieden am Ort des tragischen Hinscheidens ihres Verlobten trauern kann. Das war Dermot Hegarty, und nun zurück zu dir, Michael, ins Studio.«
»Danke, Dermot.«
»Ja, Dermot, danke«, sagte Miranda und schaltete endlich ab.
»Er hat also mit Daisy Schluss gemacht.« Während Chloe sie mit einer Umarmung tröstete, klingelte das Telefon.
»Ich bin’s.« Bruce klang bekümmert. »Ich kann diesen verdammten Laden nicht allein führen. Versprich mir, dass du morgen wiederkommst.«
Chloe zögerte. Miranda, die jedes Wort mithören konnte, sagte: »Ist in Ordnung, sag ihm, dass du da sein wirst.«
»Was ist mit dir?« Chloe sah besorgt aus.
»Oh, ich werde es schaffen. Ich werde selbst auch arbeiten.«
»Gott, bist du sicher?«
Miranda zuckte die Achseln.
»Wenn ich wie ein Zombie hier sitze, tue ich mir keinen Gefallen. Ich beschäftige mich lieber. Und Fenn hat diese Woche zu wenig Personal, weil Corinne weg ist.«
Auf seinem Rückweg von einer Sitzung im Broadcasting House ging Danny an diesem Nachmittag bei einem Zeitungsgeschäft vorbei, um
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