Glücksgriff
der Karte bestellen.
»Ich bin froh, dass Sie Ihre Meinung geändert haben«, sagte Daniel Delancey, als der Kellner ihre Bestellung aufgenommen hatte.
»Ich hatte keine große Wahl.«
Miranda spielte mit dem Besteck. Sie verspürte immer noch einen furchtbaren Drang, ihn zu schlagen. Er hatte sie gedemütigt, und sie konnte ihm nicht so einfach vergeben.
»Ich habe übrigens Ihre Weingläser im Auto. Sie haben Sie gestern vergessen.«
Seine Augen waren freundlich. Er zwang sie dazu, sein Lächeln zu erwidern.
»Sagen Sie, was erwarten Sie von mir?«, wollte Miranda widerborstig wissen. »Dass ich Ihnen danke und mich entschuldige, weil ich Sie angeschrien habe? Ich sehe nicht ein, warum ich das sollte. Sie haben mich lächerlich gemacht, haben mich Ihnen Sandwiches schenken lassen … und Schokolade … und einen blöden alten Schal … Haben Sie eine Ahnung, wie dumm mich das aussehen lässt?«
»Okay, lassen Sie es mich erklären.« Seine Stimme klang beruhigend, als ob er es mit einem Kleinkind zu tun hätte, das kurz vor einem Wutanfall steht. »Ich konnte Ihr Essen nicht einem echten Obdachlosen geben, aber ich habe der Heilsarmee gespendet, sodass jemand anderer auf Ihre Kosten eine Mahlzeit bekommen konnte. Und alles Geld, das ich bekam, ging auch an sie. Sie müssen sich keine Sorgen machen«, beruhigte er sie, »keiner ist zu kurz gekommen.«
Außer mir, dachte Miranda, all die Male, wo ich mein Mittagessen mit Ihnen geteilt habe und das Ganze allein hätte essen können.
Sich Schokolade zu verkneifen gehörte nicht zu den leichtesten Dingen. Himmel, es war praktisch wider die Natur.
Miranda seufzte und betrauerte insgeheim den Verlust all dieser Mars-Riegel.
»Wie lange müssen Sie die Maskerade noch aufrechterhalten?« Neugier gewann schließlich die Oberhand über Streitlust. »Scheint mir eine Menge Arbeit für einen Artikel zu sein.«
»Ich bin fertig. Freitag war mein letzter Tag.« Seine dunklen Augen blickten belustigt. »Sie können Ihren Schal wiederhaben, wenn Sie wollen.«
Ihr erster Gang kam. Miranda stürzte sich gierig auf ihre Muscheln.
»Ich wette, Sie waren froh, dass Sie Ihre Haare waschen konnten.«
»Ich habe sie jeden Abend gewaschen«, erwiderte Daniel Delancey. Mit einem Achselzucken fügte er hinzu: »Und hab jeden Morgen Mazola reingerieben.«
Igitt, man stelle sich das nur vor.
»Kommt mir immer noch wie eine Menge Arbeit für einen Zeitschriftenartikel vor.«
Er legte seine Gabel ab und lächelte Miranda an.
»Was ist?« Sie fragte sich, warum er sie so ansah. »Habe ich Sahne auf meinem Kinn?«
»Nein. Das war nicht für einen Artikel. Es war fürs Fernsehen.«
»Seien Sie nicht blöd«, blaffte Miranda, »man braucht Kameras beim Fernsehen. Man braucht Licht und diese komischen Klappen und Regisseure mit Megaphonen, die
Action!
schreien.«
»Vielleicht für
Lethal Weapon
«, sagte Daniel Delancey, »aber nicht für einen Dokumentarfilm. Jedenfalls nicht für diesen.«
»Sie brauchen trotzdem eine Kamera.«
Er nickte.
»Das weiß ich.«
»Und Sie hatten eindeutig keine.«
»Tatsächlich hatten wir eine. Im Schuhladen.«
Oh, Gott im Himmel. Miranda erstickte fast an einer Muschel. Wenn die Kamera strategisch günstig hinter ihnen aufgestellt gewesen war, dann hieß das …
»Wollen Sie damit sagen, dass ich in diesem Dokumentarfilm vorkomme?«
»O ja. Der Produzent ist ganz verrückt nach Ihnen. Wenn er seinen Willen bekommt«, Daniel Delancey sah aus, als ob er das Ganze genösse, »werden Sie noch ein Star.«
Miranda war entsetzt. Schreckliche Bilder schossen durch ihr Hirn – von all den Malen, da sie die Straße entlanggerannt war, um ihn zu sehen, sie in ihrer schäbigen schwarzen Jacke und mit dem Wind und dem Regen, der ihr Haar in alle Himmelsrichtungen wirbelte. Und mit so gut wie keinem Make-up.
O Gott, wenn es kalt war, wurde ihre Nase hellrot wie in einem Comic.
»Das ist ja so unfair«, platzte sie heraus, laut genug, um das Paar am Nachbartisch aufzuschrecken. »Warum haben Sie mich nicht warnen können? Wie werde ich nur aussehen?«
Amüsiert antwortete Daniel Delancey: »Nach Tonys Ansicht werden sich alle in Sie verlieben.«
»O ja, und nächstes Jahr um diese Zeit werde ich ein Supermodel sein, in meiner vollen Größe von ein Meter fünfundfünfzig.« Es war nicht lustig. Miranda zitterte, wenn sie sich nur die hässlichen Filmmeter vorstellte, die sie von ihr in ihrer gemein versteckten Kamera haben mussten. »Könnten Sie
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