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Glücksgriff

Glücksgriff

Titel: Glücksgriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Mansell
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Chloe, deren Schultern vor Erschöpfung herabsanken. Ich weine auch jede Nacht und kann trotzdem nicht schlafen.
    Wie konnte man überhaupt ernsthaft von ihr erwarten, dass sie mit einer Frau Mitleid hatte, die eindeutig gar nicht weinte? Sie trug Maskara, oder? Ihre Augen waren nicht ständig geschwollen wie die eines Froschs. Außerdem hatte sie eine winzige Taille.
    Chloe warf die Zeitschrift wieder auf den Stapel. Sie rutschte auf dem unbequemen Plastikstuhl herum – der, dem Gefühl nach zu urteilen, für jemanden gedacht war, der einen viel kleineren Hintern hatte als sie – und schob einen Finger unter die Sicherheitsnadel, die das Gummiband ihres lockersten Rocks zusammenhielt.
    An der Wand ihr gegenüber hing ein Poster. Darauf stand:
Postnatale Depression?
    Ich habe eine pränatale Depression, dachte Chloe. Ha, lustig ist das.
    »Chloe Malone«, verkündete die blecherne Stimme des Arztes über die Sprechanlage, »in Raum sechs.«
    Innerhalb der nächsten fünf Minuten wurde alles erstaunlich real. Bewaffnet mit dem Datum von Chloes letzter Periode, fummelte der Arzt an einem runden Diagramm herum, sah auf einen Kalender und verkündete: »Ihr Baby kommt am Dienstag, dem dritten Dezember.«
    Chloe sah ihn an. Er sprach mit absoluter Sicherheit.
    Himmel. Das konnte nicht sein.
    »Nennen Sie es ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk.« Der Arzt lächelte über ihren verblüfften Gesichtsausdruck. »Ist alles in Ordnung? Der Mann glücklich darüber?«
    Oh, oh, jetzt kam es.
    »Er hat mich vor fünf Tagen verlassen«, sagte Chloe und wartete darauf, in Tränen auszubrechen.
    Der Arzt sah aus, als ob er darauf wartete, dass sie in Tränen ausbrach.
    Chloe fragte sich, warum das nicht eintraf.
    Stattdessen tanzten die Worte des Arztes weiter in ihrem Kopf herum:
Ihr Baby kommt am Dienstag, dem dritten Dezember.
    Irgendwie schienen sie auf wundersame Weise wichtiger zu sein als die brutalen Worte, die Greg ihr an den Kopf geworfen hatte.
    »Er hat nie Kinder gewollt«, erklärte Chloe dem Arzt und wunderte sich über ihre feste Stimme. »Aber es ist schon okay, ich komme zurecht.«
    Nun ja, zurechtkommen mochte etwas übertrieben sein. Sich irgendwie durchwursteln traf es wahrscheinlich eher.
    »In dem Fall wollen wir Sie mal auf die Waage legen«, meinte der Arzt.
    O nein, wie nett. Genau das tat man doch im Supermarkt mit einem Beutel kernloser Trauben.
    »Ich bin erst in der achten Woche und habe schon so viel zugenommen.« Chloe streifte verlegen ihre Sandalen ab und watschelte zur Waage hinüber. »Ich muss einfach dauernd essen. Ich bin einfach dauernd hungrig.«
    »Keine Sorge. Versuchen Sie nur, gesund zu essen.«
    Wie gesund war Nusseis? Und tütenweise Lakritze? Ganz zu schweigen von Erdbeerschokolade.
    »Ich bräuchte morgendliche Übelkeit.« Chloe klang wehmütig. »Ständig warte ich darauf, und sie kommt einfach nicht.«
    Der Arzt gab amüsierte Geräusche von sich.
    »Meine Frau ist schwanger. Wenn sie Sie hören könnte, würde sie Ihnen ihre Kotze um die Ohren hauen. Bleiben Sie, wie Sie sind«, riet er Chloe gutmütig. »Sie haben Glück.«
    War er ein echter Arzt?
    Oder, fragte sich Chloe, ein entflohener Geisteskranker, der sich nur als solcher verkleidet hatte?
    Ich
ein Mädchen,
das Glück hat?
     
    »Du kommst zu spät«, stellte Fenn fest.
    »Ich weiß, tut mir Leid.« Als sie sich zu ihm umdrehte, erhaschte Miranda einen Blick auf ihr aufgelöstes Selbst in einem der Spiegel des Salons. Na ja, war es ein Wunder, dass sie fertig aussah? »Oh, Fenn, du wirst nie glauben, was passiert ist!«
    Ausreden? Fenn hatte sie schon alle gehört.
    »Sag nichts. Du bist von einer Bande Kidnapper gefangen und als Geisel genommen worden«, riet er, »bis sie herausgefunden haben, dass niemand dafür zahlen würde, dich zurückzubekommen, sodass sie dich haben gehen lassen.«
    »Oh, ha, ha.« Miranda war eindeutig verstimmt. »Ich meine es ernst.«
    »Die U-Bahn wurde angehalten. Eine Leiche auf der Strecke.«
    Immer ein gutes Argument. Es war ein Wunder, dass London noch bevölkert war, wenn man bedachte, wie oft Fenn diese Ausrede schon gehört hatte.
    Er erntete einen bösen Blick.
    »Nein.«
    »Gut, ein Welpe ist auf die Straße gerannt, und du musstest ihn retten.« Fenn grinste. Miranda hätte ihm eine runterhauen können. Die Welpenausrede war ein ständiger Scherz im Salon. Das Frustrierende daran war, dass es einmal wirklich passiert war. Es war eine ihrer wenigen echten Entschuldigungen gewesen,

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