Glückskekssommer: Roman (German Edition)
herumprobiert, bis uns ein Entwurf richtig gefallen hat. Ich war so froh, dass sie mich immer wieder um Rat gefragt hat. Schließlich muss eine Freundin für die andere da sein. Die entscheidende Idee für ihr Kleid kam mir, als ich einen alten Film mit Marylin Monroe angeschaut habe. Rob hatte an dem Abend keine Lust, mit mir ›Wie angelt man sich einen Millionär?‹ zu gucken. Er wollte zu einem Fußballspiel und Lila bot sich an, ihn zu begleiten. Mir war es recht, denn nichts ist nerviger, als bei einer herrlichen, alten Hollywoodkomödie neben einem Terminatorfan zu hocken. Ich lümmelte also auf der Couch und amüsierte mich über Pola, Tütü und Tschicki und ihre tapsigen Versuche, einen reichen Mann zu heiraten. So ganz nebenbei bewunderte ich die Kleider – schick und unglaublich feminin. Darauf schwöre ich. Das ist Rosa-Redlich-Stil! Eine Modenschau, wie sie im Film der stinkreiche Mr. Brookman gezeigt bekommt, werde ich in meinem zukünftigen Schneidersalon auch abhalten.
»Und hier sehen Sie das Modell Rosa, ein spektakuläres Abendkleid, mit dem Sie auch auf dem internationalen Parkett eine gute Figur machen.«
Ein wirklich inspirierender Film! Am Ende hatte ich Lilas Sommerkleid vor Augen: Ein feines Teilchen aus Leinen-Seide-Gemisch für das Büro, das sich nach ein paar geschickten Handgriffen in ein knappes Strandkleid verwandeln lässt – top geeignet für die moderne Powerfrau, die sich zum Afterwork noch schnell mit ein paar Freunden am Bundespressestrand auf einen Cocktail trifft.
Lila war begeistert.
Nun arbeitet sie fest angestellt bei Frau Senner, und ich verbringe meine Tage mit Warten und rosa Träumen von besseren Zeiten. (Meine Lieblingsvorstellung ist die: Es klingelt und vor der Tür steht Eva Andrees. Sie sagt, dass sie sehr unzufrieden mit Helena Senner ist und nun ihre Kleidung bei mir schneidern lassen will – sie und ein paar andere Schauspielerinnen auch. Schwupps, schon bin ich doch ganz schnell berühmt.)
Einmal schafft es Oma, mich aus der Wohnung zu locken. Sie braucht mich zum Einkaufen. Da kann ich nicht nein sagen. Obwohl gerade keine Asien-Woche ist, kommen wir doch bepackt wie die Esel zu ihr nach Hause. Oma isst gar nicht so viel. Sie ist gertenschlank und dank Thai-Chi auch noch richtig fit. Aber sie hat gern Gäste und die müssen schließlich bewirtet werden.
Nachdem wir alle Einkäufe in Küche und Keller verteilt haben, kocht sie für mich – heute mal nicht chinesisch, sondern Eier in Senfsoße mit Stampfkartoffeln. Das habe ich mir gewünscht. Essen ist wie Psychotherapie. Kartoffelbrei und sämige Soßen erinnern mich immer an die Zeit, als ich noch klein war und meine Eltern und Großeltern mich vor allem Übel beschützt haben. Mit einem Bauch voller gekochter Eier sieht die Welt schon gar nicht mehr so schlimm aus.
Oma kann meinen Weltschmerz sowieso nicht nachvollziehen. Für sie ist es keine Frage, dass ich bald wieder arbeiten gehen werde. Sie hat mich wirklich lieb und kann sich einfach nicht vorstellen, dass alle Welt ihrem kleinen Mädchen gerade einen Korb gibt.
Zu Hause fische ich mal wieder vier dicke, große Briefe aus dem Postkasten. Ich brauche sie gar nicht aufzumachen. Es sind natürlich meine Bewerbungsunterlagen. Seit fünf Wochen suche ich jetzt Arbeit.
Ich sehe nett und freundlich aus, habe einen Eins-a-Gesellenbrief und meine Unterlagen sind weder fleckig noch fehlerhaft. Warum will mich denn keiner einstellen? Nicht eine einzige Einladung zu einem Vorstellungsgespräch habe ich bekommen.
Lila behauptet, dass die Senner nichts damit zu tun hat. »Sie hat dich schon vergessen«, beteuert sie. »Seit die Andrees bei uns ein und aus geht, schwebt sie auf Wolke sieben. Sie hat doch alles, was sie will. Warum sollte sie so etwas Böses tun?«
Was Lila so unschuldig daherplappert, tut mir ganz schön weh. Manchmal ist sie komisch. Sie muss doch merken, wie schmerzlich das ist, wenn ich höre, dass die Senner jetzt den Erfolg genießt, den ich vorbereitet habe.
»Hat sie nie nach mir gefragt?«, frage ich seufzend.
»Die Chefin? Nö!«
»Nicht die. Ich meine die Andrees.«
»I wo! Warum sollte sie?«
Ja, warum auch? Fragt man nach dem Blatt, das vom Baum fällt? Natürlich nicht!
Ich bin unterdessen so verzweifelt, dass ich sogar die Hausarbeit gern mache. Hauptsache, zu irgendetwas nützlich sein! In den drei Jahren, seit wir zusammen wohnen, hat eigentlich immer Lila den ganzen Haushalt erledigt, wenn sie nach
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