Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Hause kam. Sie liebt Abwaschen, Bügeln und all dieses Zeug. Sie bringt es fertig, singend mit einem Staubpuschel durch die Wohnung zu laufen und fröhlich ihre tausend geliebten Dekorationsobjekte abzuwischen. Sie hat ein Faible für kleine Porzellantierchen in Setzkästen und Stoffblumen in Porzellanvasen. Es sieht zwar gemütlich aus. Aber es staubt ein! Und das hasse ich!
Aber jetzt ist sie den ganzen Tag arbeiten, und ich bin da. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als seufzend auch ein bisschen mit anzupacken. So haben wir beide die Rollen getauscht. Wenn Lila abends irgendwann von der Arbeit kommt, stelle ich ihr das Essen auf den Tisch. Meistens habe ich ein Tiefkühlfertiggericht aufgetaut. Lila sieht, angesichts der eingeschränkten Speisenauswahl, nicht gerade begeistert aus. Aber ich finde, dass Rahmspinat und Fischstäbchen auch lecker sind. So eine Perle wie Lila, die Kartoffelsuppe, Rouladen, Gulasch und Klöße kochen kann – sogar ohne Kochbuch – bin ich nun mal nicht.
Lila ist neuerdings immer ziemlich spät zu Hause. Ob die Senner sie jetzt zwölf Stunden arbeiten lässt? Das sähe der gemeinen Schlange ähnlich, erst mich und nun meine Freundin so auszunutzen. Als ich Lila darauf anspreche, reagiert sie ausweichend. Wahrscheinlich ist es ihr unangenehm, denn sie kann natürlich nichts gegen die Anweisungen ihrer Chefin machen.
Wie auch immer, zu Hause muss sie sich dafür nur noch zurücklehnen. Die Wohnung blitzt und glänzt, der Müll ist runtergebracht und im Kühlschrank stehen eisgekühlte Getränke. Jetzt ist sie es, die nach der Arbeit auf der Couch liegt und Fernsehen guckt.
»Wenn du wieder arbeiten gehst, das wird hart«, sagt Lila. Sie streckt sich seufzend mit einem Glas Cola auf meiner Couch aus. »Kannst du mir mal die Schultern massieren?«
Die verspannten Schultern sind eine Berufskrankheit.
»Mache ich gleich«, antworte ich. »Wenn ich abgewaschen habe.«
Sie schnurrt wie eine Katze, als ich etwas warmes Öl auf die Schultern gebe und kräftig einmassiere.
»Wann kriege ich eigentlich deinen Anteil der Miete für den Juli?«, fragt sie und lässt die Eiswürfel in ihrem Glas klirren.
»Das meinst du jetzt aber garantiert nicht ernst«, sage ich schockiert. »Du weißt doch, dass ich im Moment so gut wie nix habe und das geht alles für Porto und die ganzen Bewerbungssachen drauf.«
»Ist schon gut«, sagt Lila. Sie streckt ihren Rücken, damit ich ihn besser durchkneten kann. »Wird ja bald wieder besser.«
Später, als ich allein in meinem Bett liege, versuche ich mal wieder, Rob anzurufen. Entweder ist es besetzt oder er nimmt nicht ab. Seit Tagen geht das nun schon so. Ab und zu schickt er eine SMS, mehr ist nicht drin. Dabei könnte ich seinen Zuspruch wirklich gut gebrauchen. Aber seit dem Abend, als Eva Andrees’ Kleid geplatzt ist, habe ich kaum noch Kontakt zu ihm. Angeblich hat er so viel zu tun und kann deshalb nicht vorbeikommen.
Offenbar haben alle zu tun.
Alle! Nur ich nicht. Ich muss etwas unternehmen und zwar gleich!
*
»Guten Tag, ich bin Damenmaßschneiderin. Ich bin gerade mit der Ausbildung fertig geworden.«
»Ja, das ist ein toller Zufall. Wir suchen nämlich eine junge Schneiderin.«
Die Frau am Tresen lächelt gewinnend. Ich strahle zurück.
Warum bin ich nur nicht gleich losgegangen? Das ist viel besser als die öden Bewerbungsbriefe.
Während die Frau ihre Chefin holt, schaue ich mich im Laden um. Es gefällt mir. Alles hell und freundlich gestrichen. Modeatelier Riemer in Charlottenburg. Schön!
Im übergroßen Spiegel lächele ich mir selbst zu. Klein, aber auf hohen Schuhen, mit keckem Pferdeschwanz und einem Kleid, das ich selbst genäht habe – nichts Auffälliges, aber in Hellblau, der Farbe, die mir von allen am besten steht. Die bringt meine Augen zum Leuchten. Als die Besitzerin nach vorn kommt, ist sie mir gleich sympathisch.
»Frau Riemer?«, frage ich freundlich. »Nett, Sie kennenzulernen.«
»Ganz meinerseits, Frau …?«
»Redlich. Ich heiße Rosa Redlich … wie treu und ehrlich.«
Für einen Augenblick verfinstert sich der Blick der Chefin. Oder kommt es mir nur so vor?
»Sie suchen also Arbeit?« Sie räuspert sich und fixiert einen Punkt irgendwo hinter mir.
»Hier sind meine Zeug…«
»Da muss ich Sie leider enttäuschen«, unterbricht sie mich. »Ich habe heute jemanden eingestellt, sonst hätte ich Sie gern genommen.«
Warum fühlt es sich so an, als ob sie lügt?
Schneiderei
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