Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Basti waren an dem Abend nicht anders als freundschaftlich miteinander umgegangen. Aber trotzdem: Nein!
»Hey! Rosa! Fang!«, rief Vicki in dem Moment.
Ohne nachzudenken, schnappte ich nach dem Etwas, das auf mich zugeflogen kam. Es war ein Glückskeks. Ich verdrehte die Augen!
»Los, mach ihn auf!«, forderte Vicki und zwinkerte mir zu. »Es ist 23.58 Uhr. Heute kann nichts mehr schiefgehen. Also los. Trau dich!«
Basti und Daniel musterten uns mit fragenden Blicken. Sie hatten ja keine Ahnung, dass sich vor ihren Augen ein wahres Drama abspielte. Nachdem ich die geballte Capsaicin-Attacke überlebt hatte, konnte eigentlich nichts mehr wirklich schiefgehen. Also wickelte ich den Keks aus, brach ihn auf und las:
Ein unerwartetes Geschenk wird dich erfreuen!
Augenblicklich entspannte ich mich. Na also! Ob Glückskekse vielleicht doch Quatsch sind? Kein Geschenk weit und breit.
Ich winkte ein letztes Mal in die kleine Runde und ging in mein Zimmer. Als ich das Licht einschaltete, traute ich meinen Augen nicht. Auf dem Schminktisch stand Bastis schöner Rosenstrauß, davor ein Zettel mit ein paar hektisch gekritzelten Zeilen.
›Rosa, natürlich waren die Blumen für dich. Aber als ich vor dir stand, da hat mich auf einmal der Mut verlassen. Also nimm sie bitte! Dein Sebastian.‹
Beim Einschlafen grinse ich zufrieden. Meine Lippen brennen so, als hätte ich stundenlang geknutscht. In meinem Magen glüht ein Feuerball. Der Rosenstrauß steht ganz dicht an meinem Bett.
Glückskeks 8
Benutze deine Talente weise und sie werden erweitert.
Ich wälze mich schwitzend im meinem Himmelbett herum. Aus dem Wohnzimmer höre ich die gedämpften Stimmen von Vicki, Daniel und Basti. Eigentlich wäre es schön, noch bei ihnen zu sein. Aber es geht nicht, denn erstens bin ich müde und zweitens muss ich morgen früh raus zu einem extralangen Arbeitstag. Margret will sich nämlich mit Oma einen schönen Tag machen. Seitdem die beiden ihre gemeinsame Leidenschaft für China entdeckt haben, treffen sie sich öfter. Ich bin sicher, dass meine Großmutter Margret überreden wird, mit ihr zusammen die große Reise anzutreten – damit der letzte Bilderrahmen in Margrets Werkstatt nicht länger leer bleibt. Manchmal stehen sie zusammen, reden und mustern mich aufmerksam, während ich nähe. Margret guckt meist sorgenvoll und schüttelt den Kopf. Vermutlich traut sie mir nicht zu, dass ich ihr Geschäft ein paar Wochen allein führen kann, ohne dass irgendwelche mittleren bis großen Katastrophen passieren. Recht hat sie! Im Moment geht einfach so viel schief in meinem Leben. So lange Margret nicht fragt, werde ich bestimmt nicht anbieten, ihre (und meine!) Existenzgrundlage zu hüten. Auch wenn ich ihr und Oma die Reise von Herzen gönne.
Langsam fallen mir die Augen zu. Ich bin so müde …
Plötzlich bin ich mit Oma und Margret auf der chinesischen Mauer. Komisch, ich habe sie mir eigentlich anders vorgestellt, freundlich und einladend, mit einem schönen Fußweg obendrauf. Aber die Mauer, auf der ich gerade bin, ist hoch und ganz schmal. Ich muss die Arme ausbreiten und balancieren, damit ich nicht hinunter in den nebelverhangenen Abgrund stürze. Ich habe riesige Angst, aber Oma und Margret drängen mich. Sie haben überhaupt keine Probleme mit der Höhe. Schwitzend taste ich mich vorwärts, während die beiden Ladies mich schubsen und mit spitzen Fingern in den Rücken pieken. Ganz weit hinten sehe ich, dass die Mauer immer breiter und breiter wird. Da scheint die Sonne und ein kunterbunter Jahrmarkt ist im Gange. Wenn mir doch nur nicht so heiß wäre! Da kommt mir eine hübsche Chinesin entgegen. Ich bekomme noch mehr Angst. Gleich müssen wir aneinander vorbei. Die junge Frau hat eine wunderschöne knallrote Bluse an. Sie trägt einen Korb in der Hand, der voller Glückskekse ist. Als wir einander gegenüberstehen, lächelt sie.
»Du musst einen Glückskeks essen«, sagt sie.
Ich schüttele den Kopf und versuche an ihr vorbeizukommen. Doch sie lässt mich nicht durch.
»Erst einen Glückskeks essen!«
Oma und Margret versperren den Rückweg. So muss ich wohl oder übel einen Keks nehmen. Alle drei lachen und nicken zufrieden, als ich ihn mit zitternden Händen aufbreche und die Prophezeiung lese:
Benutze deine Talente weise und sie werden erweitert.
Als ich gelesen habe, gibt mir die zarte Chinesin einen Schubs, und ich falle die Mauer hinunter. Ich brülle laut vor Angst. Doch dann fällt
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