Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Selbstmitleid ist groß wie ein Ozean.
»Ich glaube, ich liebe ihn«, schluchze ich in mein Kissen. Jetzt wo es zu spät ist, kann ich ruhig ein bisschen dick auftragen. »Er ist ein so toller Typ.«
Geh schlafen, Rosa. Schmollen macht keinen Sinn. Du hast es nicht gepeilt, als er dich wollte. Jetzt ist es zu spät. C’est la vie.
Schniefend ziehe ich mir meine Decke über den Kopf. Vorher stelle ich meinen Wecker auf fünf Uhr. Ich will weg sein, wenn die beiden aufstehen. Mit Vicki und Basti am Küchentisch den Morgenkaffee trinken? Nachdem was sie heute Nacht lautstark miteinander getrieben haben? Undenkbar! Das hält die stärkste Rosa nicht aus. Rob und Lila auf dem Tisch sind nichts dagegen. Na dann gute Nacht!
*
»Morgen, Rosa«, sagt Jens.
Er balanciert ein Tablett mit Kaffee, Obst und Schokocroissant durch die Tür.
»Hi, Jens«, sage ich und winke matt.
»Na, du hast dir ja was vorgenommen«, sagt er und bestaunt den Berg Klamotten, den ich neben mir aufgetürmt habe.
»Margret hat heute frei.« Ich schnappe mir gierig meinen Kaffee vom Tablett, noch bevor Jens Gelegenheit hat, es abzustellen. »Ich brauche Koffein«, sage ich entschuldigend. »Mir fallen fast die Augen zu, aber ich will was wegschaffen.«
Er setzt sich zu mir und nimmt sich den zweiten Becher. »Ich habe auch noch nicht gefrühstückt«, sagt er.
Wir prosten uns mit Milchkaffee zu.
»Hast du so lange gefeiert gestern?«, fragt Jens.
Ich schüttele den Kopf. »Vicki hatte Besuch.«
Und was für einen!
»Weißt du, Margret blüht richtig auf, seit du hier bist«, sagt Jens unvermittelt.
»Wirklich?«, frage ich.
Jens nickt. »Du bist wie Licht und Sonnenschein«, sagt er lächelnd. »In deiner Nähe muss man sich einfach wohlfühlen.«
Oh mein Gott! War das aber lieb von ihm! »Danke«, hauche ich.
Doch plötzlich mache ich mir Sorgen um meine Chefin. »Wie krank ist sie wirklich?«, frage ich Jens. »Weißt du, ob sie regelmäßig zum Arzt geht?«
Ich kenne die ältere Generation. Die haben eine angeborene Panik vor Medizinern. Meine Oma schleppt sich auch erst hin, wenn sie mehr tot als lebendig ist.
Er zuckt die Schultern. »Sie redet nicht drüber. Kennst sie doch.«
Ich nicke. Er mustert mich.
»Bei dir alles okay? Du siehst blass aus.«
»Klar doch! Nur müde, wie gesagt.«
Was soll ich ihm erzählen? Dass ich mal wieder nicht gleich wusste, was ich wollte. Und als ich es wusste, da wollte ich nicht gleich. Und dann war es zu spät.
Nein, ich kann nicht zugeben, dass ich eine dumme Gans bin. Schon gar nicht gegenüber dem einzigen Menschen auf der Welt, der mich für Licht und Sonnenschein hält.
Als Jens weg ist, stürze ich mich in die Arbeit. Durch die neu gestaltete Fensterscheibe ist unser Geschäft endlich als Schneiderei erkennbar. Wir bekommen viel mehr Aufträge. Margret und Oma schneien kurz herein. Sie tragen Rucksäcke, dazu Jeans und feste Schuhe. Fehlen nur noch die Wanderstäbe.
»Wir fahren in den Harz«, sagt Oma. »Heute Abend sind wir zurück.«
»Toll!«, antworte ich. Ich finde es schön, wie die beiden um die Wette strahlen. Margret sieht gar nicht so blass aus wie sonst.
Kein Wunder! Schließlich arbeitet sie direkt neben dem Sonnenschein. Ich muss kichern.
»Du machst um eins zu«, ordnet die Chefin an. Sie sieht, wie viel Arbeit ich mir neben meinen Platz gelegt habe und schüttelt den Kopf. »Wie immer am Freitag«, befiehlt sie. »Morgen kannst du ausschlafen. Geh dich also schön amüsieren heute.«
Ich lächle so natürlich wie möglich. Die Vorstellung, wieder irgendwelchen Sexgeräuschen von Vicki und Basti zu lauschen, finde ich eher nicht amüsant.
Dann sind Margret und Oma weg.
Ich werde bestimmt nicht am Mittag schließen. Die Arbeit ist das Einzige, was mir im Moment keine Sorgen macht und mir richtig gut von der Hand geht. Ich kürze also ein paar Röcke, mache eine Hose enger, nähe ausgerissenes Futter in einem Mantel wieder fest … Irgendwann gegen zwei Uhr muss ich Pause machen, weil ich Hunger habe.
Heute Morgen bin ich so schnell wie möglich aus der Wohnung gestürmt, um Sebastian nicht zu begegnen. Das Croissant und den Obstteller von Jens habe ich stehen gelassen. Ich wollte nähen, weiter nichts. Nähen beruhigt und Nähen tut auch nicht weh. Schwierige Fragen wirbelten durch meinen Kopf. Warum hat Basti mir eigentlich die Blumen geschenkt, wenn er dann doch mit Vicki …? Warum hat Rob mir gesagt, dass er mich liebt, wenn er dann doch mit
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