Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Lila …? Verstehe die Männer, wer kann.
Das Obst sieht nicht mehr besonders appetitlich aus. Ich esse ein wenig davon. Lustlos zerrupfe ich das Croissant. Mir fehlt ein Kaffee dazu. Ich könnte jetzt ins ›Schraders‹ gehen. Aber da treffe ich eine Menge Menschen, und das will ich nicht. Denn Menschen sind einfach enttäuschend. Vielleicht sitzt mir gegenüber ja ein knutschendes Paar. Der Typ flüstert der Frau süße Liebesschwüre ins Ohr und nebenbei flirtet er mit einer Tussi am Nachbartisch. Ich würde aufstehen und ihm eine reinhauen. Das wäre zwar richtig, aber auch ziemlich peinlich. Jens und Oskar würden mir Hausverbot erteilen. Das kann ich nicht riskieren. Also ist es besser, wenn ich im Laden bleibe und mein Croissant mit lauwarmem Sprudelwasser herunterspüle.
Die Türglocke geht und Karl Kasulke tritt ein. »Ich habe dich beim Vorbeigehen gesehen«, sagt er. »Ich komme gerade vom Einkaufen.«
In seinem Netz liegen zwei Bananen und ein Päckchen Quark.
»Du hast ja noch auf«, sagt er verwundert. »Lässt Margret dich etwa Überstunden machen?«
»I wo«, sage ich. Ich freue mich aufrichtig, den alten Herren zu sehen. »Wir haben so viel zu tun im Moment. Ich mache es freiwillig.«
»Ich denke, wenn ich schon mal hier bin, könnte ich dich auf ein Stückchen Kuchen einladen«, schlägt Karl vor. »Was meinst du?«
Karl kann ich nichts abschlagen. Ich habe ja gesehen, dass er ganz allein lebt. Soweit ich weiß, hat er keine Familie. Also nicke ich. Zwei Minuten später sitzen wir im Sonnenschein. Oskar schiebt Karl ein weiches Kissen in den Rücken. Die leckere Erdbeertorte mit extra Schlagsahne tut mir gut. Auch Karl schafft beinahe ein ganzes Stück. Zum Glück. Er ist so erschreckend mager.
»Zu zweit schmeckt es besser«, sagt er lächelnd. »Wenn ich allein essen muss, kriege ich fast nichts runter.«
»Hast du eigentlich Kinder?«
Sein Blick wird dunkel. Ich bereue augenblicklich, dass ich mal wieder so neugierig war. Doch dann holt Karl seine Brieftasche hervor und zeigt mir ein Foto.
»Das ist Angelika, meine Tochter.«
Hübsches Mädchen. Das Foto ist, der Bildqualität nach zu urteilen, aus den 70er-Jahren. Die alten Aufnahmen von meinen Eltern sehen genauso aus. Ich würde gern wissen, warum er kein neueres Bild hat.
»Was … Was ist mit ihr?«, frage ich vorsichtig. Ich habe das Gefühl, dass Karl zwar gern reden will, aber sich nicht sicher ist, ob ich mich für seine Geschichte überhaupt interessiere.
»Wir haben uns vor 20 Jahren am Grab meiner Frau zum letzten Mal gesehen«, sagt er jetzt leise. »Sie gab mir die Schuld am Tod ihrer Mutter, und sie sagte, dass sie nie wieder etwas mit mir zu tun haben will.«
»Wo lebt sie denn?«
»In Berlin, gar nicht weit von hier«, antwortet er. »Sie wahrt die Form und schickt mir mal ab und zu eine Karte, wenn es etwas Neues gibt.« Sein Lächeln ist jetzt bitter. »Aber sie hat ihren Schwur wahr gemacht und mich nie wieder besucht. Ich will sie nicht bedrängen. Sie weiß nicht einmal, dass ich lange im Krankenhaus war.«
Ich schlucke schwer. Das ist wirklich hart. Was auch immer Karl getan hat, dass sie so böse auf ihn ist – so lange muss sie ihn nicht leiden lassen. Und er leidet sehr. Das sieht man ihm an.
»Sie hat zwei Söhne.«
Und die kennen ihren Opa nicht. Ich könnte heulen, so sehr tut Karl mir leid. »Hast du denn mal versucht, sie wiederzutreffen?«, frage ich.
Er nickt. Dann zuckt er die Schultern. »Vor ein paar Jahren, nach der Geburt ihres Ältesten. Aber es lief nicht gut. Sie ist ziemlich stur. Das hat sie von mir. Ich habe auch immer darauf beharrt, so zu leben, wie ich es für richtig halte. Ich fürchte, ich war kein guter Vater für sie.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Du … Du bist doch so ein lieber Mensch.«
»Sie hatte alles, was das Herz begehrt«, sagt Karl nachdenklich. »Doch ich war nie da. Es sah in ihren Augen so aus, als sei meine Arbeit und nicht meine Frau und meine Tochter mir das Wichtigste auf der Welt. Oft war ich monatelang auf Reisen.«
Ich muss an meine Eltern denken. Die beiden waren immer um mich herum. Sie haben mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen, mich wie eine kleine Prinzessin behandelt. Ich musste nur mit dem Fuß aufstampfen und ein Schmollmündchen ziehen, schon bekam ich, was ich wollte. Welchen Wunsch ich auch hatte, sie ließen alles stehen und liegen und erfüllten ihn mir. Tante Susanne fand das manchmal gar nicht gut.
»Ihr
Weitere Kostenlose Bücher