Glückskekssommer: Roman (German Edition)
irgendetwas Kreatives muss ich machen.
Also gehe ich wieder runter. Ich kaufe mir Pinsel, Farben und einen riesigen Zeichenblock und fange an zu malen. Vicki in meiner Rosa-Mode – eine kleine Kollektion für eine langbeinige, gertenschlanke Rothaarige, die gerade einen Bestseller geschrieben hat und jetzt durch die Talkshows tingelt, um zu erzählen, was und wer sie zu diesem Roman inspiriert hat.
Nach ein paar Stunden ist der Fußboden in meinem Zimmer übersät von Zeichnungen. Ich bin von Kopf bis Fuß mit Farbe beschmiert, aber glücklich. Vicki ist noch immer nicht zu Hause. Vielleicht ist das auch gut so. Ich bin mir nicht sicher, was sie von meinen Entwürfen halten wird. Sie trägt ja immer Jeans und T-Shirt. Ich habe sie noch nie in Kleidern oder Röcken gesehen. Dabei würde ihr das so gut stehen – vor allem ganz lange Kleider, die für große Frauen einfach wie geschaffen sind.
Dann ist es Zeit für ein Schaumbad in der Löwenwanne.
Mein Kopf ist leer wie eine ausgetrunkene Kokosnuss. Ich habe den ganzen Tag weder an Lila oder Rob, geschweige denn an Basti gedacht. Statt Schokocroissants habe ich ein Käsebrot gegessen und statt herumzuheulen, habe ich Kleider entworfen.
Was ist denn mit mir los?
Es wird ein einmaliger Ausrutscher sein. Wenn Vicki erst mit Basti knutschend und fummelnd in der Küche steht, ist es mit der Zufriedenheit gleich wieder vorbei. Ich verdränge die blöden Gedanken, bevor sie sich einnisten. Heute werde ich mir von nichts und niemandem die Laune verderben lassen. Nicht mal von mir selbst.
Während das Wasser einläuft, krame ich meinen MP3-Player aus der Handtasche, lege mir ein weiches Handtuch hin und eine duftende Bodylotion für hinterher. Dann versinke ich in Schaumbergen und gröle ABBA-Lieder mit. So schön kann das Leben sein!
*
»Rosa! Alles klar?«
Ich erschrecke fürchterlich, denn ich habe Vicki gar nicht kommen hören. Kein Wunder. Schließlich läuft gerade ›Fernando‹ – mein Lieblingslied von ABBA. Ich bin gerade gen Schweden unterwegs, meinem dreitagebärtigen Traummann entgegen.
»Da bist du ja«, sage ich.
Ich ziehe die Kopfhörerstöpsel aus meinen Ohren. Dann warte ich darauf, dass ich wütend auf Vicki werde. Immerhin hat sie mit Basti geschlafen, während ich mit seinem piekenden Rosenstrauß in meinem Zimmer lag und von ihm träumte.
Aber ich bin nicht sauer auf sie. Wenn ich ehrlich bin – warum sollte ich auch? Sebastian Andrees ist nicht mein Freund. Vicki kann nicht wissen, dass ich ihn toll finde. Er weiß es übrigens auch nicht. Und ich selbst? Na ja, ich weiß es irgendwie auch erst seit ein paar Tagen. Also bei so viel allgemeiner Unwissenheit bringt es nichts, mich aufzuregen oder irgendjemandem den schwarzen Peter zuzuschieben.
»Mach ein bisschen Platz«, sagt Vicki.
Sie zieht sich ihr T-Shirt über den Kopf. Belustigt schaue ich ihr zu. Will sie jetzt wirklich zu mir in die Wanne? Mein letztes Mal Zusammenbaden, das war mit Lila. Ich glaube, da waren wir sechs.
Vicki ist so schlank, dass man die Rippen zählen kann, aber ihr Busen ist überraschend voll. Kein Wunder, dass Basti …
Schluss jetzt!
Lieber stelle ich mir meine Kleider-Entwürfe an ihr vor. Ob sie mir zuliebe ihre ewigen Jeans ablegt und ein Kleid anzieht? Mich sticht der Ehrgeiz. An so einer Frau wie Vicki sind Jeans und Shirt die reinste Verschwendung. Als sie zu mir ins Wasser steigt, läuft beinahe die Wanne über. Sie taucht unter und kommt prustend wieder hoch.
»Ist das herrlich«, sagt sie.
Sie streicht sich die Wassertropfen aus dem Gesicht. Auf ihrem Haar sitzt eine Schaumkrone.
»Was hörst du da?«
»There was something in the air that night …«
»The stars were bright, Fernando«, johlt Vicki ohne zu zögern mit.
Aha, sie mag ABBA auch.
Ich biete ihr meinen zweiten Kopfhörer an. Wir rücken ein Stück zusammen.
Nach einer halben Stunde steigen wir heiser aus der Wanne und cremen uns mit schrumpeligen Fingern gegenseitig den Rücken ein. Mit Vicki ist alles so unkompliziert.
Nie wieder will ich eine blöde Prinzessin sein, die mies zu ihrer besten Freundin ist.
»Du, Vicki«, sage ich. »Ich hatte gestern überhaupt keine Kopfschmerzen.«
»War mir klar«, antwortet sie grinsend. »Und jetzt ab ins Bett. Lesestunde.«
Ich ziehe mir rasch ein Nachthemd über den Kopf und laufe in die Küche. Zu einer Lesung gehören ein gutes Glas Wein und ein paar Kerzen. Während ich für schönes Licht sorge, schlägt Vicki ihr
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