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Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Titel: Glückskekssommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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lese, hört es ja keiner!«
    Wir lachen und plaudern und als Vicki nach dem Abendessen die Wohnung verlässt, sind wir uns wieder ein kleines Stückchen nähergekommen. Das Einzige, was ich noch nicht mit ihr besprechen kann, ist ihre Beziehung zu Basti. Das packe ich nicht. Ich werde mich schon daran gewöhnen, dass die beiden zusammen sind. Irgendwann. Und derweil will ich ihr nichts vorheucheln. Das Ganze ist schon verzwickt genug.
    Ich rufe Oma an und frage, ob ich sie noch besuchen soll. Sie ist mit Margret verabredet. Im Kino läuft ein toller Film, den sie unbedingt sehen wollen. Also gut, dann gucke ich mal, was das Spätprogramm im Fernsehen so hergibt.
    Am Freitag nach der Lesung wird alles anders. Vicki wird endgültig versöhnt sein. Die Jungs werden Cocktails spendieren. Oma und Margret werden da sein und bestimmt auch Basti, Anne und Daniel. Alle werden sehen, dass ich keine Prinzessin mehr bin, und von da an ist alles wieder gut.
     
    *
     
    Ich schließe den Laden am Nachmittag zu. Heute ist Vickis Lesung.
    Jetzt werde ich noch eine Weile ungestört nähen und mich dann für den Abend zurechtmachen. Ich bin neugierig, wie es mit Simon und Lisa weitergeht. Aber noch mehr freue ich mich darauf, alle meine neuen Freunde wiederzusehen.
    Als ich fertig bin und aufräume, finde ich einen schwarzen Anzug von Karl Kasulke.
    Nanu, er hat ihn ja gar nicht abgeholt? Dabei hatte er mich vor zwei Wochen gebeten, ihn schnell zu ändern, weil er damit auf eine Beerdigung gehen will. Ein Bekannter aus dem Krankenhaus sei gestorben. Sie hätten viele Wochen gemeinsam in einem Zimmer gelegen.
    Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass noch Zeit ist, um rasch zu ihm zu laufen. Wir können zusammen ins ›Schraders‹ gehen, falls er Lust auf einen geselligen Abend hat.
    Ich tupfe mir rasch ein wenig Rouge auf die Wangen und lege mir Karls Anzug über den Arm. Jetzt aber los! Ein Blick über die Straße sagt mir, dass es mächtig voll wird bei den Jungs.
    Im Laufschritt sause ich die Treppen hoch und klingele an Karls Wohnungstür.
    Einmal … Warten. Zweimal!
    »Karl? Hier ist die Rosi. Ich bringe deinen Anzug.« Ich klopfe energisch. Vielleicht hört er ja Musik und die Klingel fällt ihm nicht auf. Keine Reaktion. Wahrscheinlich wird er schon drüben sein. Alte Leute gehen doch immer ganz zeitig los, nicht so wie wir Jungen auf die letzte Minute.
    Apropos! Ich muss sausen. Dann eben mit Anzug über dem Arm zur Lesung. Als ich zum Sprint ansetze, öffnet sich die Tür neben Karls Wohnung.
    »Der macht nich uff«, sagt eine alte Frau. Sie mustert mich argwöhnisch.
    »Habe ich schon gemerkt. Danke!«, sage ich höflich. »Einen schönen Abend noch.«
    »Ick meene, der macht wirklich nie mehr uff.«
    »Wie bitte?« Mein Herzschlag setzt aus.
    »Den hamse abjeholt, letzte Woche.«
    Tausend Gedanken stürzen auf mich ein. »Ist er tot?«, schreie ich.
    Oh, mein Gott, bitte nicht.
    »So jut wie«, sagt die Alte ungerührt. »Is im Krankenhaus, mal wieder. Sein Krebs …«
    »In welchem?«, frage ich halb erleichtert. Karl ist nicht tot. Und er wird auch nicht sterben. Das geht überhaupt nicht.
    »Virchow, vermute ick. Er hat nüscht jesacht …«
    Sie redet noch weiter, aber ich will nichts mehr hören. Ich drücke ihr Karls Anzug in die Hand und bin schon unterwegs. Das Virchow-Klinikum ist nicht weit von hier. Ich muss sofort hin. Keiner von uns hat gewusst, dass er im Krankenhaus ist. Er ist ganz allein. Der arme Karl, wie verlassen muss er sich fühlen.
    In der Klinik herrscht noch reges Besuchstreiben, obwohl es schon recht spät ist. Es ist nicht schwer herauszufinden, wo der alte Herr liegt. Warum hat er nur keinem Bescheid gesagt?
    Ich ahne es. Er wollte uns nicht zur Last fallen. Wieder einmal stelle ich fest, dass die ältere Generation so ganz anders ›tickt‹ als wir Jungen. Würde ich ins Krankenhaus müssen, hätte ich alle verrückt gemacht, damit auch ja Tag und Nacht jemand neben mir sitzt und mein Händchen hält.
    Obwohl … Die ›alte‹ Rosa hätte das getan. Die neue ist anders. In letzter Zeit bin ich viel allein. Und das geht auch. Ich komme klar. An Lila denke ich fast gar nicht mehr. Außerdem habe ich so unglaublich viel Arbeit. Das lenkt ab.
    Die onkologische Station finde ich schnell. Ich bin die ganze Zeit gerannt. Jetzt stehe ich nach Luft schnappend vor Karls Zimmertür und hoffe, dass er sich überhaupt freut, mich zu sehen.
    War ich mal wieder zu voreilig? Ich klopfe vorsichtig an und

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