Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Titel: Glückskekssommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
Vom Netzwerk:
Gegend hier. Lauter Einfamilienhäuser, mit gepflegten Gärten und großen Familienautos vor der Tür. Also, wenn ich mal Kinder habe, möchte ich auch in so einem Teil von Berlin wohnen. Oder wieder auf dem Land.
     
    Lila und ich hatten eine herrliche Kindheit zwischen Wäldern und Feldern. Es wurde erst langweilig, als wir den Kinderschuhen entwachsen waren und uns mehr für Discos und Shoppen interessierten als Reiten und Pilze suchen.
    Na ja, für solcherart Überlegungen habe ich noch Zeit. Im Moment habe ich ja nicht mal einen Freund.
     
    Freitagabend, nachdem ich die Lesung sausen lassen habe, bin ich noch in Karls Wohnung gegangen, habe der Nachbarin Bescheid gesagt, dass ich jetzt auch einen Schlüssel habe und mich dann auf die Suche nach Karls Adressbüchlein gemacht. Zum Glück musste ich nicht die ganze Wohnung durchwühlen, denn das wäre mir unangenehm gewesen. Neben dem Telefon stand ein kleiner Karteikasten mit Unmengen Adressen und Telefonnummern, die nach einem System geordnet waren, das wahrscheinlich nur Karl verstand, alphabetisch war es jedenfalls nicht.
    Geduldig blätterte ich darin herum, bis ich ein Kärtchen mit dem Namen Angelika fand, darauf zwei Adressen (die eine durchgestrichen) und zwei Telefonnummern (eine ebenfalls ausgestrichen). Auch ihren neuen Nachnamen hatte Karl notiert. Aus Angelika Kasulke war Angelika Hermann geworden. Ich hatte sie also gefunden.
    Jetzt kam der weitaus schwierigere Teil. Wie sollte ich mich bei der Frau melden, die ich noch nie im Leben gesehen hatte? Wie bringt man einer verärgerten 45-Jährigen bei, dass es Unsinn ist, 20 Jahre zu schmollen? Das machen ja nicht mal Kleinkinder und die können bocken. Oh Mann. Ich weiß noch, wie ich damals war.
    Nein, nicht mal ich könnte so lange sauer sein – egal, was geschehen ist.
    Sollte ich mich einfach als Karls Ärztin ausgeben? Das ist gar kein so schlechter Trick. Ärzte versprühen eine gewaltige Autorität. Müssen sie auch, schließlich legen sie sich jeden Tag mit Krankheit und Tod an, da sollte eine vergnatzte, ältliche Tochter doch eigentlich kein Problem sein. Aber ich bin kein Arzt. Autorität? Fehlanzeige. Wer hat schon Respekt vor Aschenputtel?
    Unsicher spielte ich mit dem Telefon herum und wurde dabei immer nervöser. Ich wollte keinen Fehler machen. Karl zuliebe durfte ich es dieses Mal nicht versauen.
     
    Und genau deshalb bin ich heute hier. Ich habe ein paar Stunden im Laden gewerkelt und mich dann auf den Weg gemacht. Noch die Straße runter, dann bin ich da. Keine Ahnung, wie Karls Tochter reagiert, wenn sie mich sieht. Hoffentlich ist sie kein Drachen und wirft mich achtkantig aus ihrem schicken Einfamilienhaus.
    Ich krame in meiner Handtasche nach einem Spiegel. Ein kurzer Blick sagt mir, dass meine Haare ordentlich liegen, der Lippenstift nicht verschmiert ist und die Ringe unter den Augen durch eine doppelte Schicht Make-up nicht zu sehen sind. Okay! So kann man einer gut situierten Vorstadtlady schon entgegentreten. Als ich den Spiegel wieder einstecke, raschelt etwas in meiner Tasche. Schokolade? Etwas Nervennahrung wäre jetzt nicht schlecht. Ich bin ziemlich nervös. Meine Enttäuschung ist groß, als ich stattdessen einen Glückskeks in der Hand halte. Puh, was soll ich denn jetzt damit machen?
    Misstrauisch beäuge ich das kleine, harmlos aussehende Ding. Seinesgleichen haben mir so viel Kummer eingebracht in den letzten Wochen. Andererseits – es ist doch nur ein Keks!!!
    Kann es denn sein, dass ich mich vor ein bisschen Fett und Mehl fürchte? Na gut, da ist ja noch der Zettel mit dem Spruch. Von dem geht die Gefahr aus.
    Du bist echt albern, Rosa.
    »Bin ich das?«
    »Wie bitte?«, fragt die Frau, die gerade an mir vorübergeht und guckt mich erstaunt an.
    Nicht zu fassen! Ich habe schon wieder laut mit mir selbst gesprochen. Kann man mit 27 schon so gaga sein?
    Noch bevor ich mich auf einen weiteren Dialog mit mir selbst einlassen kann, reiße ich die Folie auf und stopfe mir den knackigen Keks komplett in den Mund. Wer isst, der redet nicht.
    Man kann Papier doch essen, oder? Ist doch bloß ein bisschen Zellulose.
    Igitt, ist das ist abartig und eklig!
    Ich spucke den zerbissenen Keks unauffällig zurück in meine Hand und entsorge ihn in den nächsten Mülleimer, allerdings nicht, ohne vorher den Spruch angeschaut zu haben. Ich meine, ich wollte ihn gerade essen . Da kann ich ihn getrost auch lesen.
     
    Auf Widerstände diplomatisch reagieren. Gute Argumente

Weitere Kostenlose Bücher