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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Uhly
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verboten, bei mir zu bleiben? Und wann und wie hätte ich dieses Verbot ausgesprochen? Was für Gedanken! Hans hat das Gefühl, dass er sich auf schwankenden Boden begibt.
    Frau Tarsi hat ihn beobachtet. Jetzt sagt sie ernst: »Eva M. ist immer noch die Mutter dieses Kindes. Das wissen Sie beide doch?« Herr Wenzel sagt heftig: »Aber sie hat es weggeworfen wie einen Gegenstand!«
    »Ein Kind ist aber kein Gegenstand«, entgegnet Herr Tarsi.
    »Eben!«, ruft Herr Wenzel aus. Er ist empört, dass Eva M. noch irgendwelche Rechte an Felizia haben soll. Hans schaut ihn an. Felizias zweiter Großvater, denkt er. In diesem Augenblick ist Herr Wenzel ihm nicht nur sympathisch. Er fühlt sich an wie ein älterer Bruder. Ein wenig stur, ein wenig konservativ, ein wenig zu korrekt vielleicht. Aber ein guter Mensch. Hans nimmt sich vor, nicht länger an Herrn Wenzels Absichten zu zweifeln.
    Frau Tarsi schaut Herrn Wenzel an, als suche sie nach Worten. Dann sagt sie: »Felizia muss zum Arzt, sie muss geimpft werden.« Herr Wenzel sagt: »Das habe ich Hans auch schon gesagt.«
    Frau Tarsi holt tief Luft. »Später muss sie in einen Kindergarten, dann in die Schule. Sie muss versichert sein. Sie muss zu diesem Land gehören. Sie braucht Papiere, die besagen, dass sie zu diesem Land gehört. Oder wollen Sie, dass sie immer im Versteck leben muss?« Hans schüttelt den Kopf. Nein, das will er nicht.
    »Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, dieses Kind nicht dem Staat zu überlassen!«, sagt Herr Wenzel aufgebracht. »Die Behörden werden sie in ein Waisenhaus stecken! Wollen Sie das?«
    »Und der Vater?«, fragt Frau Tarsi. Noch ehe Herr Wenzel etwas erwidern kann, fährt sie fort: »Und die echten Großeltern?« Sie macht eine beschwichtigende Geste. »Seien Sie mir nicht böse. Sie beide sind bestimmt großartige Opas, und mein Mann und ich sind ein guter Onkel und eine gute Tante. Aber Felizia hat bereits eine Familie.« Es entsteht ein Schweigen. Dann sagt Herr Tarsi: »Bitte nehmen Sie es meiner Frau nicht übel, dass sie sagt, was sie denkt. Sie meint es nur gut.«
    Frau Tarsi schenkt ihrem Mann ein flüchtiges, dankbares Lächeln. Sie ist verunsichert, das sieht Hans. Er will etwas sagen, was die Situation rettet. Aber das Einzige, was ihm einfällt, ist, dass er, wenn er Felizia weggibt, wieder ganz allein ist. Das ist ein schrecklicher Gedanke und er schiebt ihn schnell von sich.
    Frau Tarsi beugt sich zu Hans und sagt: »Ich möchte, dass Felizia bei Ihnen bleibt. Sie tut Ihnen so gut!«
    So wahr sind ihre Worte, dass Hans sich zusammenreißen muss. Er will nicht vor diesen Leuten die Fassung verlieren.
    Herr Tarsi sagt: »Ich kenne einen guten Kinderarzt, er ist ein Freund von mir, ein Perser wie wir. Wenn ich ihm sage, was los ist, wird er uns helfen, ich bin sicher.«
    Frau Tarsi beklatscht diesen Vorschlag. »Das ist ein guter Anfang!«, ruft sie aus. Aber Hans ist erschrocken, dass noch jemand, und diesmal ein vollkommen Fremder, die Wahrheit über Felizia erfahren soll. Doch er spürt auch, dass er keine Wahl hat. Und vielleicht ist es so besser, denkt er, als einfach in eine Praxis zu laufen und zu lügen. Nicht, dass ich das nicht könnte, denkt er. Ich könnte das ohne Probleme. Er nickt und sagt: »Ja, das ist eine gute Idee.« Auch Herr Wenzel stimmt zu, und so ist es beschlossene Sache, dass Herr Tarsi gleich morgen Kontakt zu seinem Freund aufnehmen wird.
    Herr Wenzel muss in sein Geschäft zurück. »Ich schließe immer häufiger, seit die Kleine da ist«, sagt er und kichert, und Hans denkt, dass Herr Wenzel bestimmt noch nie so unkorrekt war in seinem Leben.
    Sie verabschieden sich von den Tarsis, Hans holt die schlafende Felizia, Frau Tarsi sagt: »Am Wochenende kommt meine Tochter mit ihrem Sohn. Dann kommen Sie auch, ja?«
    Herr Tarsi sagt: »Ich komme zu Ihnen, sobald ich mit Doktor Sadeghi gesprochen habe.«
    Herr Wenzel sagt: »Kommen Sie doch einmal in meinen Laden.«
    Es wird viel gelächelt, dann schließt sich die Wohnungstür und Hans geht mit Felizia auf dem Arm und gefolgt von Herrn Wenzel zu seiner eigenen Wohnung. Als sie dort ankommen, sagt Herr Wenzel: »Das hast du gut gemacht, Hans, dass du diese Leute eingeweiht hast.« Er klopft ihm auf die Schulter. Er sagt: »Meine Mutter hat immer gesagt: Um ein einziges Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.« Er lacht kurz auf. »Vielleicht bekommen wir ja ein ganz kleines zusammen.« Dann macht er ein nachdenkliches Gesicht: »Obwohl

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