Glückskind (German Edition)
über mich herauskommt. Der Angst davor hat, seine Frau nicht halten zu können, wenn er ihr sagt, was er wirklich will.
Die ersten Gespräche mit Lena über den Gartenzaun hinweg, noch war kein Gras gewachsen, nur rohe Erde gab es, ein paar einsame Bäume waren schon gepflanzt. Dieses Gefühl, das er hatte, als er sie sah. Lena, eine schwache Frau, eine weibliche Frau, eine Frau, der er nicht unterlegen ist, die er dominieren kann. Von Anfang an. Wie auf Schienen. Und später, als er längst wusste, dass sie auf ihn reagierte. Wenn er mit Karin schlief und sich vorstellte, sie sei Lena. Das tut weh, das tut weh. Hans schüttelt heftig den Kopf, aber der Zug fährt weiter, er hat keine Bremsen mehr, nachdem er so lange blockiert war, sein Weg führt mitten hindurch. Das schlechte Gewissen, wenn er mit Lena im Bett gewesen war. Dann suchte er Streit mit Karin wegen irgendetwas, dann gab er ihr die Schuld für irgendetwas und das brachte Erleichterung, aber es ließ den Zug noch schneller fahren. Die Kinder ahnten nichts, und wenn sie etwas ahnten, dann wollten sie es nicht wahrhaben. Ein jeder lächelte für sich, damit ihr trautes Eigenheim ihnen nicht um die Ohren flog, ein jeder war Hüter des Geheimnisses. Wann konnte Karin die Augen nicht mehr verschließen, welchen Anlass hatte Hans ihr gegeben, sich selbst das Geheimnis zu verraten? Irgendeine kleine Unachtsamkeit, die vielleicht auch ein versteckter Hinweis war, eine Chance, in die Wahrheit zurückzukehren um jeden Preis, weil ihr Verlust allmählich schwerer wog als die Zerstörung der Familie, eine zutiefst ethische Unachtsamkeit inmitten all dieser Lügen, in die er verstrickt war, bis er zuletzt das Gefühl hatte, an allen vieren gekettet zu sein, einen Knebel im Mund zu haben, nichts mehr sehen zu können.
»Sei froh, Hans«, murmelt Hans jetzt, »sei froh, dass du damals aufgeflogen bist.«
Er hat nie erfahren, wie Karin ihm auf die Schliche gekommen ist. Aber das spielt keine Rolle. Was ihn quält, ist etwas ganz anderes, ist die Frage: Warum habe ich das getan, obwohl ich sie liebte? Lena? Lena hat er nie geliebt, er hat sie begehrt und seinem Begehren misstraut, denn wann immer es gestillt war, kam das Bedauern, kam der Schmerz, gegen die Gesetze der Liebe verstoßen zu haben, die Panik, entdeckt zu werden und alles zu verlieren, Karin, die Kinder. Warum in aller Welt habe ich es trotzdem getan? Ist diese ganze große Katastrophe am Ende auch nur ein versteckter Hinweis auf etwas anderes?
Der Sonntag ist vorbei, er hat es nicht geschafft, bis zum Schluss einfach nur der Sonntag zu bleiben. Jetzt zahlt Hans doch noch den Preis für seinen Zoobesuch. Und diesmal muss er ihn entrichten, in voller Höhe. »Es gibt keinen Ort, an dem ich nicht schon mit den Kindern gewesen bin«, sagt er und schaut auf die geschälten Kartoffeln, die er vollkommen vergessen hatte. Die ganze Stadt ist voller Spuren, ganz gleich wohin er mit Felizia fährt, überall warten Rolf und Hanna und Karin auf ihn. Ich muss fortgehen mit Felizia, denkt Hans. So wie Karin fortgegangen ist. Mit den Kindern. Aber dann denkt er: Ich will sie doch gar nicht vergessen. Und schon sind sie wieder hier, Rolf und Hanna, links und rechts von ihm, und schauen auf die Kartoffeln, die er vergessen hat, und Karin aus ihrem Versteck heraus scheint zu sagen: Nun mach endlich weiter. Hans nimmt ein Messer und schneidet die Kartoffeln in schmale Stifte, und dass seine Kinder ihm zuschauen und nichts sagen, ist auf traurige Weise schön.
Sie liebten seine selbst gemachten Pommes Frites, außen knusprig und innen noch weich, das war seine Spezialität. Mal sehen, ob ich das noch immer draufhabe, denkt Hans, als er ein Blech mit den geschnittenen Kartoffeln in den Ofen schiebt. Bestimmt, sagt eine Stimme im Raum oder im Kopf, das weiß Hans nicht so genau, aber es klang wie Rolf, wenn er seinen Papa unterstützte in allem, was der tat. Hans lacht kurz auf, eigentlich sollte es umgekehrt sein, der Vater unterstützt seinen Sohn, aber er war wohl noch kleiner als Rolf damals. Armer Rolf, arme Hanna, in Wahrheit sind sie ohne Vater aufgewachsen. Arme Karin, in Wahrheit hatte sie in ihm nie einen Mann. Armer Hans, in Wahrheit war er noch gar nicht schuldfähig, als er tat, was er tat. Schluss jetzt!, denkt Hans, sonst wird es nichts mit den Pommes Frites.
Sie werden gut, seine selbst gemachten Fritten, aber er hat viel zu viele gemacht, diese Menge würde für eine ganze Familie reichen. Was mach ich
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