Glückskind (German Edition)
hereingekommen.«
»Und dass ich Sie ›Schatz‹ genannt habe, hat Sie besonders angesprochen, nicht wahr, Herr Balci«, sagt Frau Tarsi hinter seinem Rücken. Wieder wirbelt Herr Balci herum. Diesmal steht er vor Frau Tarsi, die zu seiner Verwunderung ein Baby im Arm hält, das ihn mit großen Augen anschaut und ihm dann ein freundliches Lächeln schenkt. Auch Frau Tarsi lächelt ihn jetzt verschmitzt und etwas ironisch an. Herr Balci ist überrumpelt. Er stottert: »Entschuldigen Sie, ich hätte nicht hereinkommen sollen.« Gar nicht gut für die Autorität, fährt es ihm durch den Kopf. Er strafft sich. Jetzt heißt es: stark sein. Mit möglichst normaler Stimme sagt er: »Aber ich bin gekommen, um mit dem Mieter dieser Wohnung zu sprechen, und das sind doch nicht Sie, oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?«
Zu seiner Überraschung lacht Frau Tarsi ihn offenherzig an und sagt: »Keine Sorge, Herr Balci, Sie bekommen alles mit, was in diesem Haus geschieht, daran wird sich auch so schnell nichts ändern.«
»Darf ich mal vorbei«, sagt Herr Tarsi, der es leid ist, das schwere Tablett zu halten. Herr Balci weicht zur Seite und Herr Tarsi geht mit dem Tablett ins Wohnzimmer. Frau Tarsi sagt: »Der Mieter dieser Wohnung ist nur mal auf die Straße gegangen. Er wird gleich wieder hier sein. Kommen Sie doch herein, Sie können im Wohnzimmer warten!« Sie lächelt Herrn Balci zuckersüß an und geht voraus. Herr Balci folgt ihr mit dem Gefühl, alle Autorität verloren zu haben. Unsicher setzt er sich auf einen der Stühle. Währenddessen macht Herr Tarsi sich an Hans’ Geschirr zu schaffen, er stellt Teller und Tassen auf den Tisch, Gläser, Löffel und Messer, und arrangiert alles so, dass es einladend aussieht. Wortlos und ratlos nimmt Herr Balci zur Kenntnis, dass auch für ihn gedeckt wird. Frau Tarsi setzt sich ihm gegenüber und sagt zu Felizia: »Schau einmal, wer uns da besuchen kommt. Das ist der Herr Hausverwalter, den wirst du noch gaaaanz oft sehen.« Felizia strampelt mit den Beinen, schlenkert mit den Armen und strahlt Frau Tarsi an. Dann wendet sie sich Herrn Balci zu und strahlt auch ihn an.
Felizias Lächeln lässt Herrn Balci vergessen, wer er sein muss. Er lächelt sie an, beugt sich vor und ergreift eine ihrer kleinen Hände mit Daumen und Zeigefinger. Er sagt: »Hallo, meine kleine Prinzessin! Wer bist denn du?«
Felizia lacht laut, sie ist begeistert, dass jemand ihr die Hand schüttelt, als wäre sie schon größer. Frau Tarsi lächelt wissend und sagt: »Darf ich vorstellen: Felizia, meine Enkeltochter.«
Nun schaut Herr Balci überrascht drein. Er sagt: »Das habe ich ja gar nicht mitbekommen! Herzlichen Glückwunsch, Frau Tarsi. Auch an Ihre Tochter.«
»Danke, danke, Herr Balci. Sie können ja nicht alles mitbekommen.« »Du bist aber noch ganz, ganz klein, nicht wahr, Prinzessin«, sagt Herr Balci zu Felizia, und Frau Tarsi lügt: »Vier Monate«, damit es nicht allzu sehr nach Marie M. klingt.
»Vier Monate!«, ruft Herr Balci, der sich allmählich wieder wohl fühlt in seiner Haut. »Dafür bist du aber schon sehr aufgeweckt, meine Hübsche.«
»Nicht wahr?«, sagt Frau Tarsi und lächelt ihren Mann an, der ihr einen kurzen Blick zuwirft, während er sich zu ihnen an den Tisch setzt. Er hebt den Deckel der Teekanne, zieht die Teebeutel heraus, setzt den Deckel wieder auf und gießt seiner Frau, Herrn Balci und sich selbst ein.
»Danke«, sagt Herr Balci und lächelt geistesabwesend. Er weiß gar nicht mehr genau, weshalb er eigentlich hergekommen ist. Ach ja, jetzt fällt es ihm wieder ein. Er sagt: »Sagen Sie, Herr Tarsi, die Sache mit dem Flur – hat sich das erledigt?«
Herr Tarsi schaut ihn verwirrt an. Dann erinnert er sich an seine Beschwerde. Er winkt schnell ab und sagt: »Ach das! Ja, ja, das ist erledigt, alles nur ein Missverständnis.«
Herr Balci zieht die Augenbrauen hoch. Herr Tarsi lügt nicht halb so gut wie seine Frau. »Ein Missverständnis?«, fragt Herr Balci.
»Nein«, sagt Frau Tarsi entschieden. »Kein Missverständnis. Mein Mann will nur höflich sein.« Sie wirft ihm einen Blick zu, den Herr Balci nicht deuten kann. Sie sagt: »In Wahrheit hatten wir eine ganz hübsche Auseinandersetzung mit Hans. Aber das hat alles geändert.« Sie reißt die Augen auf und macht eine große Geste mit ihren Armen. »Schauen Sie sich um! Was glauben Sie, wie es hier vorher ausgesehen hat?«
Herr Balci nickt, als verstünde er. Aber er versteht nicht. Zögernd
Weitere Kostenlose Bücher