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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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überzeugtes und lautes »Ja« wäre die einzig richtige Antwort gewesen. Es wäre die Wahrheit gewesen. Andererseits …
    Sie steht auf, geht zum Fenster.
    Gibt es in der Liebe wirklich nur ja und nein, so wie es zwischen schwanger oder nicht schwanger nichts gibt?
    Andererseits lässt mich das Leben nicht zufrieden sein, die Sehnsucht reißt an meinem Herz. Wartet nicht doch noch eine andere Option auf mich? Gibt es in der Liebe wirklich nur ja und nein, so wie es zwischen schwanger oder nicht schwanger nichts gibt? Waren nicht auch viele der gemeinsamen Tage nicht nur bunt, nicht nur froh, sondern auch grau, langweilig, vertan? Habe ich meine Zeit falsch verbracht, die Zeit auf dem Sofa, vor dem Fernseher, die kostbaren Stunden, die nie wiederkommen? Und tue ich dieser Frau überhaupt gut? Gab es da nicht auch unerfüllte Wünsche, Trauer, ja sogar schwere Krankheit? Manches lässt mein Herz zweifeln.
    Wie oft habe ich auf ihre Frage mit »Ja« geantwortet? Es war immer die Wahrheit. Warum sollte ich auch lügen? Aber gibt es in Herzensangelegenheiten überhaupt eine Wahrheit? Und wenn ja, wie sieht die aus? Oder ist der Glaube an das Glück bereits das ganze Glück? Und der Zweifel am Glück schon des Glückes Grab? Und jetzt, im Licht der Sonne in der Suite im Prunkhotel in Las Vegas kann ich plötzlich nicht mehr »Ja« sagen. Doch schon, aber auch nicht, mein Kopf dröhnt, Züge fahren durch meinen Kopf. Ich will festhalten. Oder auch nicht. Ich will nicht mehr festhalten, ich weiß nicht mehr. Es entgleitet mir, ich kann es spüren.
    Die Zeit läuft. Ich lasse sie warten und zweifle. Und lasse sie zweifeln. Es ist ein schrecklicher Moment. Sie steht am Fenster und senkt |49| den Kopf, ich schaue sie an, genieße sie und ihre Schönheit. Ich liebe sie in diesem Moment. Das ist die Wahrheit.
    »Manchmal«, sage ich.
    Sie geht ans Telefon und bucht den Rückflug.
    Vier Tage später war unser Haushalt aufgelöst. Vier Tage später war von einem gemeinsamen Heim, von einer großen Liebe nur noch ein Trümmerhaufen übrig. Und einige Fotos.
    Ich habe losgelassen! Fragen Sie mich nicht, wie weh das tut.
    Ich habe losgelassen! Fragen Sie mich nicht, wie weh das tut.
    Es ist gut so, wie es ist, solange uns das Wörtchen »besser« nicht heimsucht. Beziehungen werden nach der Hitze der jungen Liebe oft zum täglichen Balanceakt zwischen gut und besser. Am Ende entscheidet sich die unauffällige Mehrheit für die emotionale Grundversorgung. Ja, es gibt sie, die Sunk Costs im Privatleben. Böse Zungen behaupten, dass die Prozentzahl der privaten Fehlentscheidungen durch Festhalten vergleichbar hoch ist wie in der Wirtschaft: 80 Prozent. Sunk Cost – Sunk Life.
    Vergeuden Sie nicht Ihr Leben durch Festhalten an scheinbar Vernünftigem oder an offensichtlich Unvernünftigem! Hören Sie auf Ihren Bauch und wenn es sinnvoll scheint oder Sie nichts mehr erreichen können – lassen Sie los. Drehen Sie sich um, lassen Sie es sein, gehen Sie, ganz ohne Groll. Dabei geht es nicht nur um materielle Dinge. Lassen Sie los. Egal, worum es geht. Menschen, Dinge, Vorhaben, Hoffnungen.
    All die Ansprüche ans Leben aufrechtzuerhalten, die nicht erfüllt werden können, für deren Erfüllung wir nicht bereit sind, den Preis zu bezahlen, diese permanente Anstrengung nimmt uns täglich die Kraft, die wenigen klaren Ziele zu verfolgen, für die es sich lohnt, zu leben und zu sterben. Was Sie nämlich niemals loslassen sollten, sind die wenigen Ziele, die Sie wirklich erreichen wollen, die Sie wirklich ins Tun bringen!
    Es gibt diesen Reiz-Reaktions-Mechanismus, was uns anscheinend vom Tier vollkommen unterscheidet. Ein Tier reagiert in der Regel auf einen Reiz, das heißt, auf den Reiz folgt unmittelbar eine Reaktion. Ohne darüber nachzudenken, welche Reaktion auf diesen |50| Reiz die sinnvollste, richtigste oder beste wäre. Wir Menschen sind vermutlich das einzige Lebewesen auf dieser Erde, das genau diesen Mechanismus steuern kann. Wir können, wenn wir wollen, und wenn durch den Reiz keines unserer Notfallprogramme (Flucht oder Kampf) angeworfen wird, direkt nach einem Reiz erst mal überlegen, mit welcher Reaktion wir darauf antworten möchten. Das sind die Momente, in denen wir unser Leben wirklich gestalten können. In genau diesen Momenten brauchen wir ein Ziel vor Augen, damit wir wissen, wie wir antworten sollen.
    Insofern bestimmen wir sehr wohl die Realität durch unsere Gedanken, weil unsere Gedanken unsere Reaktion

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