Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
Bildqualität als Röhrenfernseher. Auch in der Gegenwart lässt sich der Effekt beobachten: Flash-Speicher für Computer sind vielfach teurer als Festplattenspeicher. Elektroantriebe inklusive Batterien für Autos sind schwerer, teurer, haben längere Ladezeiten und eine geringere Reichweite als Verbrennungsmotoren. Trotzdem bin ich sicher, dass sowohl die Flash-Speicher als auch die Elektroantriebe disruptive Technologien sind und den Markt übernehmen werden.
Doch wer seine Kunden befragt, fängt Fische im Aquarium.
Wenn Sie Führungskräfte fragen, woran Sie gerade arbeiten, dann hören Sie: Verbesserungsprozesse, Kundenwünsche erfüllen und so weiter. Daran ist nichts falsch, es ist nur nicht ausreichend, um im Wettbewerb ganz vorn zu sein. Die meisten Unternehmen versuchen, bestehende Produkte, Dienstleistungen und Prozesse immer weiter zu optimieren. Und gerade weil Marktführer oft zu sehr auf die Bedürfnisse der Stammkunden achten, fehlt ihnen der Blick für revolutionäre Neuerungen. Bevor Manager beschließen, eine bestimmte Technik, ein neues Produkt, ein neues Verfahren oder neue Vertriebswege einzuführen, hören sie auf den Kunden. Logisch – oder? Doch wer seine Kunden befragt, fängt Fische im Aquarium. Man macht für die Kunden, die man ohnehin schon hat, die besten Produkte, die sich diese ohnehin schon vorstellen können. Viele Unternehmen machen genau das – und scheitern …
|107| Grottenschlecht – aber schon da!
Immer die besten Produkte sterben. Denn die neuen Technologien setzen sich nicht durch, weil sie besser sind in den gleichen Disziplinen als die bewährten Technologien, sondern weil sie ihre Stärken in anderen Disziplinen haben, die im entscheidenden Moment im Markt eine höhere Relevanz bekommen haben.
Ein Artikel der
Harvard Business School Press
mit dem Titel »The Innovator’s Dilemma« zeigt, dass Verbesserungen sogar die Existenz gefährden. Ja, Sie haben richtig gelesen! Denn der Wettkampf wird meist gegen ähnliche Wettbewerber geführt, die mit ähnlichen Mitarbeitern, mit ähnlicher Branchenblindheit denken, ähnliche Ideen haben und ein ähnliches Produkt in einer ähnlichen Qualität zu einem ähnlichen Preis anbieten. Das gleicht dem Kampf zweier rasiererhersteller, die sich ständig mit der Anzahl der Klingen zu übertreffen versuchen: Das »Ich-habe-eine-Klinge-mehr«-Syndrom. Doch was geschieht, wenn es ein ganz neues Verfahren zur Beseitigung der Bartstoppeln gibt?
Die Gewinnerunternehmen haben keine Zeit darauf verschwendet, die Platzhirsche bei den bestehenden Produktmerkmalen zu übertreffen, sie haben einfach ganz neue Produktkategorien kreiert, egal wie grottenschlecht – zunächst.
Gerade die überaus zufriedenen Kunden werden die Ersten sein, die wechseln. Die Logik dahinter: Wenn es einerseits den unzufriedenen Kunden gibt, der immer mehr Leistung fordert, so gibt es auch den überzufriedenen, den »overserved« Kunden, für den die Leistung mehr als ausreichend ist. Da die Leistung für ihn mehr als zufriedenstellend ist und eine mögliche Leistungs- oder Qualitätssteigerung nicht relevant ist, so wird er versuchen, an einem anderen Hebel zu drehen, dem Preis. Oder eben mit schlechter funktionierenden Leistungen, die zwar in Relation teurer, doch absolut günstiger für ihn sind, zufrieden sein.
Das Bildergebnis von Digitalkameras lässt sich sofort überprüfen, für zahlreiche Schnappschüsse entstehen keine weiteren Kosten, die Bilder lassen sich sofort weiterverarbeiten oder kopieren. Diese Produktmerkmale waren vor 20 Jahren absolut neu. Inzwischen hat |108| sich auch die Bildqualität so weit verbessert, dass Digitalkameras mit analogen Kameras mithalten können, aber das ist schon längst nicht mehr entscheidend.
In den Anfangsjahren waren die Halbleiter den Röhren noch unterlegen. Die ersten Glühbirnen haben weniger Licht gegeben als Kerzen. Die ersten Autos waren langsamer, lauter, teurer, gefährlicher, umständlicher als Pferdekutschen.
Wie reagieren Unternehmen auf diese Veränderungen? Viele der dominierenden Unternehmen messen ihnen keine Bedeutung bei. Die Margen sind noch klein und somit wird im Regelfall nicht in disruptive Technologien investiert (haben ja auch eine schlechtere Leistungsfähigkeit), da der durchschnittliche Kunde diese – noch – nicht möchte. Und als kundenorientiertes Unternehmen bietet man ja in der Regel auch keine Produkte oder Dienstleistungen an, die der Kunde nicht nachfragt. So arbeiten die
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