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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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Von der Politik der wenigen großen Sprünge wechseln wir zum Muster der vielen kleinen Trippelschritte. Fehler? Müssen wir verhindern! In der Folge kommen Anspruchsdenken, Reglementierung und Verteilungsmentalität ins Spiel. Trägheit, Vorsicht, Verantwortungsscheu, Abwarten, Skepsis und Zweckoptimismus machen sich breit, der Karren fährt sich fest. Dann wächst die Unzufriedenheit. Die Lücke zwischen Ist und Soll wird immer größer. Die Konkurrenz schläft nicht und ist wesentlich besser aufgestellt. Es geht bergab. Das Feuer brennt herunter, es ist kein Holz mehr da, um nachzulegen. Wir beginnen zu frieren, die Stimmung verdüstert sich. Es geht |117| uns zunehmend schlecht. Dann ändern wir unsere Mentalität. Die Ansprüche sinken, die Verantwortungsbereitschaft steigt, wir stehen auf, nehmen die Axt und gehen in den Wald. Der Zyklus beginnt von vorn.
    Wo in diesem Zyklus wir in Wirtschaft und Gesellschaft gerade stehen, ist leicht auszumachen. Aber das ist völlig unabhängig von der Phase, in der Sie und ich gerade individuell stehen. Ich habe mich dazu entschlossen, die Axt in der Hand zu behalten. Das bedeutet: Ich bin chronisch unzufrieden. Ich habe mich dazu entschieden, die Abweichung zwischen Ist- und Sollzustand dauerhaft nicht zu akzeptieren. Das ist die Wurzel des Pragmatismus.
    Und wir sind doch eigentlich sehr gut im Unzufriedensein, da gehören wir absolut zur Weltspitze. 33 Prozent von uns sind laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz, 88 Prozent der vom Gallup-Institut befragten Arbeitnehmer spüren geringe oder keine Verpflichtung gegenüber ihrem Arbeitgeber, 70 Prozent der Befragten einer ComTeam-Studie sind mit der Entscheidungskultur in ihrem Unternehmen unzufrieden, in einer Umfrage mit 25   000 EU-Bürgern kam heraus, dass in keinem anderen Europäischen Land die Bürger ihre Zukunft so pessimistisch sehen wie in Deutschland, laut der Universität Göttingen sind 49 Prozent der Deutschen mit ihrem Liebesleben unzufrieden, wir sind unzufrieden mit unserer Bank, mit der Politik, mit dem Wetter, mit dem Fernsehprogramm, mit der Leistung unserer Lieblingsmannschaft.
    Draußen ist es zu heiß, drinnen zu kalt. Mein Chef versteht mich nicht. Mein Partner erst recht nicht. Niemand liebt mich. Ich verdiene zu wenig. Nie habe ich Glück. Immer ich. Schuld an allem sind meine Eltern. Undsoweiterundsoweiter. Unzufrieden sein, das haben wir drauf. Dafür sind wir weltweit bekannt.
    Wir sollten versuchen, noch viel unzufriedener zu sein!
    Und wegen dieser großen Stärke sind wir überhaupt eine Wirtschaftsmacht. Wir sollten versuchen, noch viel unzufriedener zu sein!
    |118| Worin wir allerdings sehr schwach sind: Die Unzufriedenheit richtig zu kanalisieren. Anstatt zu jammern, zu meckern und Ansprüche zu errichten, sollten wir sie in Pragmatismus umwandeln. Stattdessen macht uns die Unzufriedenheit zu Skeptikern. Das macht uns das Leben schwer. Es ist leider derzeit total in, skeptisch zu sein. Skepsis wird leicht mit Kritik verwechselt, ist aber im Kern nichts Konstruktives. Skepsis ist eine Darreichungsform von Feigheit, irgendetwas zu tun, eine Ausrede, um so zu bleiben, wie man ist, ein Vorwand gegen Veränderung, oft einfach nur ein anderes Wort für Begeisterungslosigkeit. Skepsis ist pure Angst.
    Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich will nicht, dass Sie mir jetzt mit der rosaroten Brille durchs Leben laufen, nein, der kritische Blick ist gut. Den meine ich nicht. Ich meine die Skepsis, die böse Schwiegermutter der Kritik …
    Ich erwarte schlechte Qualität, und zwar in 20 Minuten!
    Das ist unsere Wahl: Wir können unsere Unzufriedenheit entweder in Skepsis verwandeln oder in Pragmatismus. Im ersten Fall erwarte ich nichts Gutes von meinem Lebenspartner, von meinem Mitarbeiter, von meinem Chef, vom Staat und vom ganzen Rest. Ich suhle mich im Schlammloch der Unzufriedenheit. Das heißt: Ich bleibe, wo ich bin. Im zweiten Fall versuche ich, mich mit meinem Lebenspartner auf ganz neue Weise auseinanderzusetzen, wechsle die Strategie, um beruflich zum alten Ziel zu kommen, ignoriere die Rahmenbedingungen und mache meine eigene Konjunktur und sage meinem Mitarbeiter: Ich erwarte schlechte Qualität, und zwar in 20 Minuten!

|119| V ERGEIGT 
    Warum wir unglücklich sterben
    2 007 erklärte die UNESCO zum Jahr des Rumi – sein Geburtstag jährte sich zum 800. Mal. Im deutschsprachigen Raum, wo es keine muslimische Tradition gibt, ist dieser Dschalal

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