Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
sind die Menschen so unglücklich? Warum erzählen mir die meisten Menschen, die ich als Teilnehmer auf meinen Seminaren treffe, dass sie gerne so oder so oder so leben würden, es aber nicht tun? Warum sind meine Eltern so wenig glücklich? Warum lassen sich so viele Menschen scheiden, weil sie kein gemeinsames Glück gefunden haben?
Eine Statistikspielerei: Wir wollen einmal 100 Menschen von der Geburt bis ins Alter begleiten. Stellen Sie sich vor, Sie springen am 63. Geburtstag all dieser Leute aus der Torte mit den Worten »Herzlichen Glückwunsch!« und der Frage: »Betrachten Sie Ihr Leben als Erfolg?« Wie viel Prozent antworten mit Ja? Oder besser anders herum: Wie viele sollten mit Ja antworten? Ich sage 100. Tatsächlich beantworten aber 59 von ihnen Ihre Frage mit Nein. 36 können die Frage leider nicht mehr beantworten, weil sie schon gestorben sind. Vier beantworten Ihre Frage, wie alle Fragen: mit einem klaren Naja oder einem entschiedenen Jein. Und nur einer bleibt übrig und der schreit es heraus: »Ja! Halleluja! Ich bin eine einzige verdammte Erfolgsgeschichte!« – Einer von 100, laut
The book of lists
. Und wenn Sie sich umschauen, können Sie das subjektiv bestätigen.
Ist Hefners Glück größer als das von Bruder Ambrosius?
Aristoteles nannte Glückseligkeit das einzige Ziel, das um seiner selbst willen erstrebenswert ist – das Ziel aller Ziele. Er sprach nicht von Zufriedenheit. Dabei ist Glück nie Konsens. Glück ist immer höchst persönlich. Wer sein Glück finden will, muss sich selbst finden – wie Hugh Hefner, der Gründer des
Playboy
, der seit den Sixties nur noch mit Frauen im Alter von 18 bis 28 Jahren zusammenlebt, immer mit mehreren auf einmal. Oder wie Bruder Ambrosius, der mich an der Pforte des Klosters empfängt und mich schweigend ins Dormitorium geleitet und der beschlossen hat, auf ein Zusammenleben mit einer Frau zu verzichten. Beide scheinen fast von innen zu leuchten. Ist Hefners Glück größer als das von Bruder Ambrosius? Oder umgekehrt? Weder noch. Nur anders. Glück ist ein Maßanzug. Die meisten sterben aber in abgetragenen Anzügen von der Stange oder aus dem Second-Hand-Laden.
|135| Jeder kommt liebend und lernend zur Welt. Uns wurde das Paradies geschenkt. Wir dürfen es ertasten, erschnuppern, erschmecken. Die Welt kennenlernen, ein Leben lang lernen. Doch was machen wir? Wir opfern das Paradies nach und nach. Den Umständen, der Schule, der Karriere, der Familie. Wir sind keine Selbstliebhaber, wir sind keine Weltliebhaber. Wir sitzen hinterm Ofen und kleben Rabattmarken. Und entscheiden uns dafür, zufrieden zu sein – statt glücklich.
Kann man unzufrieden glücklich sein?
Ich weiß schon heute, dass ich unzufrieden sterben werde, denn ich war mein Leben lang immer unzufrieden. Ja, die Unzufriedenheit hält mich am Leben, denn so gibt es immer etwas zu verbessern, immer etwas zu tun. Die Unzufriedenheit treibt mich in den Flow. Kann man unzufrieden glücklich sein? Ich glaube schon. Ich weiß es nicht. Ich hoffe es.
|136| ZUTEILUNGSSTAU
Wie viele Chancen jeder im Leben bekommt
J ulian Draxler war mit 17 Jahren und 117 Tagen der jüngste Spieler, der jemals für den Revierclub Schalke 04 in der Bundesliga zum Einsatz gekommen ist. Der damalige Schalke-Trainer Felix Magath ist ein echter Fan des Gymnasiasten, er holte ihn von den Junioren in die erste Mannschaft hoch und ließ ihn im Wintertrainingslager mitschuften. Er wechselte ihn kurz danach in einer Bundesligapartie ein und stattete ihn mit einem langfristigen Profivertrag aus – alles in Absprache mit den Eltern, denn Julian Draxler war ja noch nicht volljährig. Aber ein Riesentalent.
Ein Fußballprofi hat keine Zeit, zur Schule zu gehen. Also blieb sein Platz im Gymnasium, wo er 2012 das Abi machen sollte, immer häufiger leer. Sein Klassenlehrer, die Schulleiterin und die Eltern waren auch dabei stets involviert, es gab laufend Gespräche mit der Schalker Vereinsführung.
Dann kam der Abend des 25. Januar 2011: Viertelfinale des DFB-Pokals zwischen dem FC Schalke und dem 1. FC Nürnberg. Die Partie ist temporeich, intensiv und spannend. Nach der regulären Spielzeit steht es 2: 2 unentschieden. Verlängerung. Die Partie wogt hin und her. Am Spielfeldrand hält es die Trainer und Betreuer beider Mannschaften schon längst nicht mehr auf den Sitzen. Die Einwechselspieler laufen sich schon seit einer halben Ewigkeit an der Seitenlinie warm. Coach Magath wartet auf den richtigen
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