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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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und hing bei meinem Schwager rum. Er hat mir dann ein paar Sachen erklärt.
    Zum Beispiel habe ich da die Sache mit den Zielen gelernt. Ich fuhr gern Moped und wollte natürlich irgendwann auch ein eigenes haben. Aber ich hatte ja nie Geld. Ich wollte kein Kapitalistenschwein sein. Nur, so ein Moped … das ist ja noch im Bereich des Möglichen. Irgendwann war die Frage nicht mehr, ob ich eins haben will, sondern wie ich an eines drankomme. Oder anders gesagt: Was muss ich tun, um dieses Ziel zu erreichen? Es brauchte eine Vision, ein Bild, etwas, das ich ganz bewusst wollte, um mich in Bewegung zu versetzen. So machte ich zum ersten Mal die Erfahrung, wie es ist, sich ein Ziel zu setzen, auf kreative Weise den Weg zu suchen und anzukommen. Ich lernte, ein Visionär zu sein, und machte die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.
    Was ich heute weiß: Das mit den Zielen bekommen ja noch die meisten auf die Reihe. Nur: Sie alle setzen sich zu kleine Ziele. Dadurch ist die Dimension des Erfolgs zu klein, und seine Erreichbarkeit ist zu sicher. Ich muss große Ziele setzen, damit die Garantie zu scheitern, eingebaut ist. Dieses permanent drohende Scheitern versetzt mich in Bewegung. Eine Niederlage zu verhindern, ist eine großartige Motivation, Außergewöhnliches zu leisten. Deshalb wachsen Sportler im Abstiegskampf über sich hinaus, deshalb laufen |146| Texter kurz vor dem Abgabetermin zur Hochform auf, deshalb schaffen es Unternehmen, kurz vor der Insolvenz massive Veränderungen durchzusetzen und wieder zukunftsfähig zu werden.
    Mit zu großen Zielen bin ich garantiert erfolgreich – nicht unbedingt im Vergleich mit dem Ziel, aber im Vergleich mit dem Ausgangszustand.
    Warum diesen höchst produktiven Zustand abwehren und verteufeln? Ich mache ihn von der Ausnahme zur Regel, indem ich mir deutlich zu große Ziele setze – und dann an diese Ziele glaube und sie mit aller Macht und Ernsthaftigkeit verfolge. Mit zu großen Zielen bin ich garantiert erfolgreich – nicht unbedingt im Vergleich mit dem Ziel, aber im Vergleich mit dem Ausgangszustand. Ich scheitere mich nach oben. Vor allem die Besten von uns scheitern ständig.
    Die meisten setzen sich keine großen Ziele, weil sie eben gerade nicht scheitern wollen. Und die Chance zu verlieren, ist natürlich umso höher, je größer das Ziel ist. Wenn Sie auf der sicheren Seite bleiben, dann ist das, woran sie arbeiten, nicht schwierig genug. Sie machen keine Fehler. Und das ist ein großer Fehler.
    Sein Blick ist wie ein Skalpell. Genial.
    Einer meiner Bekannten ist Spezialist für gescheiterte Unternehmen und kennt ihr Potenzial ganz genau. Er ist ein erfahrener Insolvenzverwalter. Und egal, welche Firma er betritt, Hotel, Metzgerei, Stahlwerk, Multiplexkino – vor seinem geistigen Auge stellt er in kürzester Zeit eine Bilanz dieses Unternehmens auf. Er braucht nur wenige Minuten und kann Ihnen dann auf den Kopf zusagen, wie es um Ihren Umsatz und Gewinn steht und wie hoch die Eigenkapitalrendite ist. Sein Blick ist wie ein Skalpell. Genial.
    Früher hat er die Firmen einfach abgewickelt. Auftragsarbeiten. Davon hat er gut gelebt, sehr gut. Doch dann hat er statt der Bilanz der Firmenleichen, die vor ihm lagen, einfach einmal die Bilanz seines eigenen Handelns aufgestellt. Und seine Ziele geändert. Warum die Firmen zerlegen und verkaufen? Das ist doch alles so endlos |147| mühsam. Heute kauft er die Firmen selbst auf, saniert sie, macht sie erfolgreich, verkauft sie erst dann wieder. Aber die meisten von ihnen behält er einfach, und so hat er nun mittlerweile auf jedem Kontinent einige Unternehmen.
    Als wir uns vor einer Weile trafen, fuhr ich in einem Aston Martin vor. »Cool«, meinte er, »fährst ja eins unserer Autos.« Diese Bilanz ist tatsächlich nah an der Wahrheit. Denn obwohl vorn das Schwingen-Logo von Aston Martin draufklebt, besteht der Wagen zum Großteil aus Teilen, die aus seinen Zulieferfirmen kommen.
    Er weiß genau, was er will. Um Geld geht es schon lange nicht mehr. Er hat inzwischen so viel davon, dass er es zu Lebzeiten nicht mehr ausgeben kann. Aber der Phoenix-aus-der-Asche-Effekt, wenn bereits aufgegebene Unternehmen plötzlich wieder zu blühen beginnen, der hat es ihm angetan. Wer die Chance sehen will, muss zuerst sein Ziel kennen. Das kann man lernen.
    Die Lehre von Zielen ist die Teleologie. Ihr Begründer Aristoteles ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Mensch nach der Götter Vorbild als Baumeister der Welten gemäß seiner

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