Glücksklee
einem anderen Tisch. «Wartet mal kurz, ich bin gleich wieder da.»
«Sie scheint wirklich nett zu sein», sagte Jess, als Nina sich entfernte.
Emer sah von ihrer Speisekarte auf. «Ja, sie ist ein ganz lieber Schatz. Aber ihre Freundin Trish, von der sie gerade gesprochen hat, die ist ein ganz anderes Kaliber, stimmt’s, Deirdre?»
«Ein richtiges Biest, ja», bestätigte die Freundin.
Erwartungsvoll blickte Jess auf. Das klang, als würden sie sich jetzt auf die altbewährte Art ein bisschen die Mäuler zerreißen, genauso wie früher, aber da wechselte Emer schon wieder das Thema. «Ach, übrigens, ich habe vergessen, dich zu fragen: Wann hat Dylan eigentlich angefangen zu laufen?»
«Mit dreizehn Monaten. Warum?»
«Also, ich glaube, Amy ist auf dem besten Wege, das zu toppen», sagte Deirdre mit einem stolzen Lächeln.
Auch das war Jess in letzter Zeit aufgefallen, diese ungeheure Konkurrenz zwischen den beiden Frauen, sobald es um die Entwicklung ihrer Kinder ging. Sie redeten ständig darüber, dass Amy mit zehn Monaten schon sieben Zähne gehabt hatte, Dylan aber im gleichen Alter erst fünf. War das wirklich wichtig?, fragte Jess sich.
Das war ein weiterer Aspekt des Mutterseins, den sie nicht verstand, diese totale Veränderung der Perspektive. Sie fragte sich, ob sie auch so werden würde, sobald sie ein Kind hatte. Würde sie ununterbrochen über Zahnen, Krabbeln und Impfungen reden und versuchen, andere Mütter mit den Fortschritten ihres Kindes zu übertrumpfen? Oder würde sie selbst verunsichert sein, wenn ihr Kind zurückblieb? Und wenn die Mütter schon bei den Babys so ehrgeizig waren, wie würde es dann bloß sein, wenn sie später einmal die schulischen und sportlichen Leistungen ihrer Sprösslinge verglichen?
Jess schüttelte sich unwillkürlich und schaute durch den Raum zu Nina hinüber, die gerade mit einem Tablett voller Backwaren unterwegs war. Sie sah, wie die junge Frau mit anderen Gästen plauderte, und wünschte sich einen Moment lang, Nina würde zu ihnen kommen und wieder mit ihnen sprechen. Wenn sie ehrlich war, fiel Jess nämlich allmählich nichts mehr ein, was sie noch zu ihren beiden Freundinnen sagen konnte.
Wenn sie erst schwanger war, war es vielleicht nicht mehr so schwierig, denn dann müsste sie den anderen nichts mehr vormachen und könnte sich aufrichtig freuen. Sie würde einen Entbindungstermin haben, und Emer und Deirdre würde es großen Spaß machen, Pläne mit ihr zu schmieden. Sie könnten über die verschiedenen Phasen der Schwangerschaft sprechen und hätten eine echte Grundlage dafür.
Dieser Gedanke brachte sie zu ihrem ursprünglichen Problem zurück: Wie sollte sie Brian dazu bringen, das Thema aus ihrer Sicht zu betrachten? Wie konnte sie ihn davon überzeugen, dass sie wirklich bereit war, Mutter zu werden?
Unabsichtlich stieß sie einen tiefen Seufzer aus, und Emer schaute sie an. «Entschuldige, Jess, langweilen wir dich wieder?»
«Nein, nein, überhaupt nicht. Ich habe bloß gerade an die Zeit gedacht», beeilte sie sich zu sagen. «Ich habe Brian gesagt, ich wäre so um die Mittagszeit zurück – ein Kollege von ihm hat uns heute Abend zu einer Gartenparty eingeladen, und ich muss nach Hause und mich fertigmachen.»
«Eine Gartenparty, du Glückliche.» Deirdre lächelte neidisch. «Ich glaube, es ist Ewigkeiten her, dass ich mich mal für einen Abend mit meinem Mann schick gemacht habe.»
Emer prustete. «Schick gemacht? Ich wäre ja schon zufrieden, wenn ich einfach mal abends mit meinem Mann weggehen könnte!»
«Was ziehst du denn an, Jess?», erkundigte sich Deirdre.
«Ach, ich suche mir einfach etwas aus meinem Kleiderschrank.» Jess wollte ihren Freundinnen nicht auf die Nase binden, dass sie sich speziell für diesen Anlass ein ockerfarbenes Etuikleid aus Seide von Tory Burch gekauft hatte.
«Na, du hast bestimmt einen großen Kleiderschrank und viel Auswahl», bemerkte Emer, und wieder fiel Jess ihr missbilligender Unterton auf, so als sei ein mit Designer-Mode gefüllter Kleiderschrank nur ein weiteres Beispiel dafür, dass Jess Belanglosigkeiten große Bedeutung beimaß.
Wann war das passiert? Seit wann galten die Dinge, die ihr im Leben Spaß machten, wie nette Klamotten und gute Hotels, nicht mehr als Belohnungen für ihre harte Arbeit, sondern als Symbole für ihre Oberflächlichkeit?
Jess stand auf und umarmte ihre Freundinnen zum Abschied. «Wir sprechen uns bald wieder, und ihr müsst uns mal mit den Kindern
Weitere Kostenlose Bücher