Glückspfoten, Ahmed und die ganz große Kohle (German Edition)
vorbeizuschauen.
Ich legte also ein neues Verzeichnis in meinem Computer an, Ordnung ist und bleibt schließlich das halbe Leben. Und so ein kleines Archiv war nie verkehrt.
F ür spätere Romane, man konnte ja nie wissen.
Ich nannte den neuen Ordner „Fremde Federn“. Da wusste ich zumindest gleich Bescheid. Und den ersten Unterordner zur besseren Orientierung: Heribert und Schnurrdiburr.
High Society
Ein paar Tage später rief mich Frau Graf an, die treue Seele vom Vinzenz-Joseph-Klinikum, meine einzige Kontaktstelle zum alten Dasein. In unregelmäßigen Abständen tätigte sie wohl so etwas wie einen Mitleidsanruf, um mir zu zeigen, dass ich noch nicht ganz vergessen war.
Manchmal wusste ich nicht, ob ich mich wirklich darüber freuen sollte oder nicht, aber wie auch immer es war, Frau Graf hatte es überwiegend gut mit mir gemeint.
Außerdem mochte ich es, dass sie babbelte, wie ihr der Schn abel gewachsen war. Die meisten Hessen versuchen ja, mit Gewalt ihren Dialekt zu verbergen, besonders im Berufsleben. Das aber hatte sie nie nötig gehabt.
Da rin war sie wie ein stolzer Bayer…
„Frau Sellinger“, wir waren auch nach all den Jahren noch immer per Sie, „ich muss des einfach emal loswerrn. Oder stand’s bei Ihne auch in de Zeidung?“
„Nee, was denn?“
„Ei, des mit dem Hai uff de Malledieve, da wär‘ de neue Schefazzd, Ihrn Ex, wissese, doch beinah druffgegange – der hat doch sei eischenes Leewe risgierd, um des junge Mädsche vor dem Hai zu redde! Dess Monster hadd doch dere ihrn Arm schon im Maul gehabbd – unn de Herr Schefazzd is todesmuhdisch dezwische gegange, ach isch bin noch ganz uffgereechd, wenn ich devo schwätz!“
Ich musste mich setzen. Was war nun schon wieder los mit meinem Ex-Karsten?
Dann erfuhr ich alles brühwarm im Detail, und kurze Zeit später hatte ich den Artikel aus dem Klinik-Magazin, in dem die Sache natürlich noch bis zur Unerträglichkeit aufgebauscht wurde, per Email auf meinem Laptop.
Die Überschrift allein war schon wie vom Blitz-Blatt abgeku pfert: „ Chefarzt Dr. Breidenbach riskiert sein Leben und rettet Mädchen bei Hai-Attacke auf den Malediven “
Da spritzt das Blut gleich aus dem Bildschirm, das war mir klar. Ich konnte es mir lebhaft vorstellen. Karsten, der Retter in der Not! Wahrscheinlich war die Kleine nicht nur für den Hai echt attraktiv. Dr. Breidenbach hatte sich todesmutig zwischen sie und die Bestie aus dem Meer, ein Exemplar wie von Spielberg persönlich erschaffen, geworfen und dann auch noch gleich die Notoperation in der Strandbar vorgenommen. Betäubt wurde mit hochprozentigen Cocktails ohne Eis – und hinterher haben sie Blumengebinde dekorativ auf die Wunden gelegt.
Solche Bilder liefen vor meinem geistigen Auge ab.
Und Frau Irina hatte assistiert, im neckigen Bikini, bunte Blüten hielten ihr langes Haar zurück – die Hygiene spielte also auch in der Waikiki-Strandbar eine Rolle.
Vielleicht musste sich die Neu-Chefarztgattin Irina schon bald wärmer anziehen? Die Zeit lief ja schließlich auch für sie…
Und mit zunehmendem Alter wurde frau auch nicht jünger.
Ja, ich war gehässig. Und ich wusste es. Aber es machte Spaß.
„Und was gibt es sonst noch Neues?“, hatte ich zum Abschluss Frau Graf noch gefragt.
„Mier werrn vielleicht verkauft.“
„Verkauft?“
„Ja, enn Invesdor aus I talien interessierd sich fürs ganse Klinikum. Unn es sieht so aus, als würd‘ hier bald enn gans neue Wind wehe… Die Leud habbe schon Angst um ihrn Abbeidsblatz.“
Frau Graf hätte nie das Wort Job in den Mund genommen.
„Und Sie, haben Sie auch schon Befürchtungen?“
„Ach, was soll mier schon bassiern? Isch bin ja schon lang d ebei, so schnell werrn die misch nedd los. Abber die junge Leud, die könne eim leid duhn.“
„Na, da kann ich ja froh sein, dass ich schon weg bin!“, was anderes fiel mir gerade nicht mehr zu dem Thema ein.
„Naja, jung sin se ja grad nemmer, abber sinse troddsdem froh!“, tröstete mich Frau Graf. Die gute Seele.
Dann berichtete ich noch kurz vom meinem Bucherfolg und dass ich bald zu einer Lesung nach Gießen käme. Restlos begei stert, dass ich so weich gefallen war und sie in Zukunft kein Mitleid mehr mit mir haben musste, versicherte sie mir, das Erstlingswerk bald zu kaufen und – wenn irgend möglich – zu diesem Literaturevent persönlich zu erscheinen.
„Unn Sie, also ich maan nadürlich Ihr Buc h, des schdeed schon uff de Besdsellärlisd?
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