Glückspfoten, Ahmed und die ganz große Kohle (German Edition)
besten Willen nicht ahnen können.
In jedem Falle bewegte ich mich aber im Rahmen der absoluten Legalität mit meiner Spionage. Ich hatte das Werkzeug schließlich bei Teddy’s gekauft – also musste die Aktion ja auch erlaubt sein.
Dann sah‘ ich einen haarigen Teppich. Flokati, auch voll aus den Siebzigern. Und ganz schön krümelig.
Waren wir hier etwa im Allerheiligsten gelandet? Im Schlafgemach der Neumeiers?
Zu dem behaarten Teppich gesellten sich plötzlich noch stark behaarte Wadenbeine. Die konnten aber nicht von Helene selbst sein, denn solche Waden hatte sie keinesfalls. War ihr Mann etwa heute zuhause?
Oder h atte die Praxis vielleicht doch wegen Ruins geschlossen?
Dann sah ich auf einmal gar nichts mehr und es wackelte wie wild. Wahrscheinlich rieb sich Ahmed an den stacheligen Unterschenkeln – brrrrrr. Ich musste unwillkürlich wieder an den Perverser denken. Irgendwie ist doch immer ein bisschen was dran an den Sprüchen…
Auf einmal sah ich ihn auch noch! Meinen Langhaarkater. Im Spiegel. Ahmed filmte direkt in den Riesenspiegel in Zahnarztens Schlafzimmer. Und da er den Kopf so schön hochgenommen hatte und den Hals wahrscheinlich gestreckt und gereckt, konnte ich im Spiegel auch ganz genau sehen, wem die haarigen Wadenbeine gehörten: Heribert Rotheck, dem Gärtner.
Um genau zu sein, dem langjährigen Gärtner und Hausmei ster der Neumeiers.
Mir blieb fast die Spucke weg. Und heiß und kalt war mir auch geworden. Meine Güte, dieser Gärtner bestellte das Feld aber mordsmäßig gründlich.
„Herribädd! Setzema die Saukatz‘ enaus!“, schrillte eine Stimme aus dem Hintergrund.
Nanü, wer schwelgt e denn hier im tiefsten Groß-Niddaer Platt? Etwa die Frau Doktor persönlich?
Sonst sprach sie doch nur in allerreinstem, extrafeinstem Oxford-Deutsch, um Bildung und akademischen Grad (promovierte Dentistengattin!) zu unterstreichen. Doch hier mit dem Gärtner im heimischen Liebesnest, da wurde es dann eher volkstümlich.
Nee, dachte ich, ich fall‘ jetzt bald vom Glauben ab. Lug und Trug regieren also doch die Welt.
Und ich Naivling war der Ansicht gewesen, bei älteren Leuten wär‘ noch ein kleines bisschen Zucht und Ordnung zu finden, nicht so wie bei meinem Ex-Karsten und seinen drallen Schwesternschülerinnen…
Nein, hier war es eben der undralle Gärtner. Ob das schon lange so ging? Ts, ts, ts… Da bohrt der Gatte fleißig Löcher auf und füllt sie wieder und daheim wird stattdessen…
Aber lassen wir das einfach.
Auf einmal wackelte die Kamera ganz doll und plötzlich schaute ich der Frau Helene direkt ins ungeschminkte Gesicht, das von zerzausten Haaren umrandet war. Die haben es aber echt wild getrieben, so ramponiert wie die aussieht, schoss es mir in den Kopf.
Dann wurde Ahmed wohl mehr als unsanft in den Garten b efördert, mir wurde fast schwindelig. Also, einen Bambi für Kameraführung würden wir mit dem Film nicht ergattern.
Aber das war noch nicht alles. Der Streifzug war noch nicht beendet. Und wie ich hinterher feststellen musste, hatte mein Kater eine ausgesprochene Vorliebe für die Betten in der Nac hbarschaft entwickelt.
Erst legte er sich bei den Müller-Mädels in die rosa-weiße Be ttenlandschaft, die beiden süßen Teenies schmusten mit ihm und gaben ihm Leckerlis, die alles vollkrümelten, danach landete er bei einem neuen Nachbarn im Schlafgemach. Herr Altenberg, ein alleinstehender Mittfünfziger, der kürzlich das Haus am Anfang der Straße gekauft hatte, lag mittags im Bett, seinen Laptop auf dem Federbett und dazu trank er Rotwein.
Mittags!
Die Bettwäsche war ziemlich verkrumpelt, sein kleinkarierter Schlafanzug auch. Wer weiß, wie lange er den schon nicht mehr gewechselt hatte. Aber Ahmed fühlte sich anscheinend pudelwohl dort. Und wie ich zu erkennen glaubte, er war wohl nicht das erste Mal da.
„Na, mein Schnurrdiburr, willst du mir wieder Gesellschaft leisten?“, fragte Herr Altenberg und dann war sein Unterarm – auch behaart – in Großaufnahme zu sehen.
Alle Welt kraulte offensichtlich meinen Kater, der wiederum bei fast aller Welt durch die Betten hüpfte.
Etwas, was sein Frauchen zeitlebens versucht hatte zu vermeiden. Aber, was wollte man von der heutigen Jugend schon erwarten?
Thea Sellinger, du wirst alt!
Das war der Satz der über allem stand. Ich war alt geworden, zu alt fürs Bettenhupfen.
Obwohl, wenn ich so überlege. War schon eine feine Sache, mal so bei Nachbarn im Schlafgemach
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