Glücksregeln für den Alltag
tiefen Einfluss darauf haben kann, inwieweit die Arbeit einem Freude bereitet und einen befriedigt.
Natürlich wird unsere Einstellung zur Arbeit durch viele Faktoren geprägt, sowohl inneren wie äußerlichen. Die Erfahrungen, die wir während unserer Kindheit, Erziehung und durch unsere Kultur machen, können eine Rolle spielen. Mir geht es wie vielen anderen, wenn ich mich zum Beispiel daran erinnere, dass mein Vater mir und meinen Geschwistern von den Vorzügen und der Freude harter Arbeit erzählte und uns nahe zu bringen versuchte, wie wichtig ein hohes Arbeitsethos sei. Doch auch er hinterließ -wie viele andere Menschen in unserer Gesellschaft - mit seinen nonverbalen Botschaften den Eindruck, dass seine schönen Worte und die Arbeit nicht viel miteinander zu tun hätten. Er kam jeden Abend erschöpft nach Hause und sprach nur ungern über seinen Arbeitstag. Und so weckte er in unseren jungen Gemütern eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf das, was er eigentlich genau in seiner Arbeit tat. Seinem Verhalten nach zu urteilen wären wir nicht überrascht gewesen, wenn seine Arbeit irgendwie damit verbunden gewesen wäre, täglich von neun Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags in einem Zahnarztstuhl zu sitzen und eine Wurzelbehandlung zu bekommen.
Deshalb reizte es mich nicht übermäßig, ins Arbeitsleben einzusteigen. Und der erste Tag in meinem neuen Ferienjob als Teenager war nicht gerade dazu angetan, meine Zweifel an den Vorzügen und Freuden der Arbeit auszuräumen. Ich hatte einen Sommerjob in einer Fabrik gefunden, die Orangen zu Saft verarbeitete und diesen dann in Dosen abfüllte. Meine Arbeit bestand unter anderem darin, an dem einen Ende des Förderbands zu stehen, die darauf stehenden Kisten mit den Dosen hochzuheben und auf einer hölzernen Palette auf einem Metallwagen zu platzieren. Ich brauchte etwa elf Sekunden, um diese Aufgabe zu lernen. Schon nach der ersten Stunde begann ich, überwältigt von Langeweile und Erschöpfung, die Kisten zu hassen, die ständig die Rampe hinunterrollten. Jede Kiste betrachtete ich als persönliche Kränkung. In den ersten fünf Minuten unterhielt ich mich damit, dass ich an die wundervolle Episode aus dem berühmten Film I love Lucy dachte, in der Lucy einen Job bekommt, bei dem sie Schokolade auf einem Förderband abtrennt, aber mir war bald klar, dass ich hier wohl kaum vielen Spaßvögeln begegnen würde. In der ganzen Firma schien Humor verpönt zu sein, und ich entwickelte eine Theorie, wonach die Fabrik vermutlich mit besonderen Luftfiltern ausgestattet worden sei, die jedes Quäntchen Spaß aufsogen. Mein Kollege auf der anderen Seite des Förderbandes schien meine Hypothese zu bestätigen. In der ersten Stunde unserer gemeinsamen Tätigkeit sagte er keinen einzigen Ton, und die ersten Worte, die er dann an mich richtete, waren schließlich: „Dieser Job ist echt beschissen!“ Er nannte mir nie seinen Namen. Und, was alles noch schlimmer machte, er schien sich ganz bewusst zu schonen. Er bewegte sich so langsam, dass ich gezwungen war, entsprechend mehr Kisten hochzuheben und zu stapeln. Das war äußerst ärgerlich. Doch der Gerechtigkeit halber muss ich sagen, dass nicht nur er sich langsam bewegte - sogar die Zeit verging so langsam bei diesem neuen Job, dass mir auch die physikalischen Gesetze aufgehoben zu sein schienen. Jede Minute kam mir wie eine Stunde vor und ich schaute immer wieder ungeduldig auf die Uhr. Ich hatte das Gefühl, dieser erste Tag würde niemals enden.
Am zweiten Tag jedoch erhielt ich meine allererste Lektion darin, wie wichtig die eigene Einstellung ist und wie grundlegend sie die Arbeitserfahrung verwandeln kann. Es gab einen Schichtwechsel und mein schweigsamer Kollege wurde durch Carl ersetzt, einen älteren Mann voller Energie und Elan. Ich konnte nur staunen über die Art, wie er arbeitete. Er schien großes Gefallen an körperlicher Bewegung zu finden und hob die Kisten rhythmisch, geschickt und mit so sparsamem Kräfteaufwand hoch, dass es ein wahrhaftes Vergnügen war, ihm dabei zuzuschauen - es war, als beobachtete man einen Sportler bei seinem Training. Und es war nicht nur die Bewegung, die ihm Spaß zu machen schien. Es bereitete ihm Vergnügen, mit seinen Kollegen in Kontakt zu kommen. Er kannte jeden mit Namen, wusste eine ganze Menge über ihre jeweilige persönliche Geschichte und zog mich in ein Gespräch, in das wir bald so vertieft waren, dass der Tag zu Ende war, ehe ich mich versah. Er mochte seine
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