Glücksregeln für den Alltag
Funktionsweise zu verstehen, obwohl ich sie danach nicht immer richtig zusammensetzen konnte. Manchmal schwänzte ich sogar meinen Unterricht, um mich mit diesen Sachen zu beschäftigen.“ Er kicherte schuldbewusst. „Aber dennoch glaube ich nicht, dass es ganz und gar richtig ist, zu sagen, Menschen seien genetisch darauf programmiert, allein aus dieser produktiven Aktivität Wohl und Nutzen zu ziehen.“
„Oh, nein, nein, nein“, bestätigte ich. „Das will ich damit keineswegs unterstellen. Die Diskussionen, die zu unserem ersten Buch führten, basierten auf Ihrer Prämisse, dass die wichtigste Determinante für das Glück eines Menschen sein Geisteszustand, der mentale Faktor, ist. Wir konzentrierten uns auf das allgemeine Thema ,innere Entwicklung’. Unsere jetzigen Diskussionen begannen wir, indem wir davon ausgingen, dass es die innere Entwicklung ist, die wahres Glück bringt.
Aber Sie haben auch gesagt, dass viele Komponenten zum menschlichen Glück beitragen. Auch ich bin davon überzeugt, dass wir nicht darauf programmiert sind, Glück nur durch sinnvolle produktive Arbeit oder Aktivität zu erreichen. Aber jetzt möchte ich erkunden, wie die Arbeit in unsere Suche nach dem menschlichen Glück passt. Und unser Thema ist ja nicht der erhabene Zustand spirituellen Glücks, sondern das alltägliche, gegenwärtige Glück und die mögliche Beziehung zwischen produktiver Aktivität und allgemeiner Lebenszufriedenheit - zum Beispiel, wie die harte Arbeit, die Sie für die Prüfungen geleistet hatten, Sie glücklich machte.“
„Es gibt da eine Sache, die ich klarstellen sollte“, sagte der Dalai Lama. „Als ich sagte, ich erlebte meinen glücklichsten Augenblick, als ich meinen Geshe-Grad erhielt, wollte ich damit nicht zu verstehen geben, dass ein intensiver Glückszustand nicht durch innere Entwicklung oder dass dieser innere gedankliche Prozess nicht durch meditative Erkenntnis erreicht werden kann. Diese Ebenen der meditativen Erkenntnis habe ich vielleicht nicht erreicht, doch heißt das nicht, dass dies nicht möglich ist. Tatsächlich hatte ich manchmal sogar einen flüchtigen Einblick in diese Möglichkeit. Ich glaube, ich habe Ihnen früher einmal von diesen Erfahrungen erzählt.“
„Ich denke, wir stimmen darin überein, dass es viele Komponenten des menschlichen Glücks gibt“, fasste ich zusammen, „und viele Faktoren, die zu unserem Glück beitragen können. In der Vergangenheit haben wir darüber gesprochen, wie wichtig die Schulung des Geistes ist, und Sie erwähnten auch andere Arten der inneren meditativen Übung. Und natürlich gibt es Komponenten, die Sie zur Sprache gebracht haben, wie die Familie, Freunde und so weiter. Aber in diesem Gespräch haben wir uns auf die Arbeit konzentriert. Wir haben über viele Aspekte der Arbeit, des Lebensunterhalts und über einige häufige Ursachen für Unzufriedenheit diskutiert. Abschließend möchte ich ganz generell die Perspektive ausweiten und fragen: Was trägt die Arbeit Ihrer Auffassung nach zu unserem Streben nach Glück bei?“
Der Dalai Lama dachte eine Weile nach, ehe er antwortete. „Es ist sehr schwer, generell zu sagen, in welchem Umfang die Arbeit eine wichtige Rolle für das menschliche Glück spielt. Dazu gehören eine Menge komplexer Faktoren: Die individuellen Interessen, der persönliche Werdegang, die Lebensbedingungen, das gesellschaftliche Milieu und die Art der Arbeit - all das kann einen Einfluss darauf haben, inwieweit die individuelle Arbeit zum Glück insgesamt beizutragen vermag. Dies alles kann sehr bedeutsam sein. Und ich glaube, in hohem Maße hängt es auch von der Psychologie des Einzelnen, das heißt, von seiner psychologischen Veranlagung ab. Wenn wir also über die Erfüllung sprechen, die ein Mensch durch seine Arbeit findet, dann muss man verstehen, dass dabei viele Faktoren im Spiel sind.“
Ich seufzte innerlich. Ich erinnerte mich an die vielen Gespräche, die wir im Laufe der Jahre geführt hatten und in denen ich auf klare Antworten und unumstößliche Statements gehofft hatte. Jetzt waren wir wieder an demselben Punkt. Wiederum suchte ich nach definitiven Lösungen und wurde nur einmal mehr an die Komplexität des Menschen erinnert.
Aber er hat natürlich Recht. Aus einer darwinistischen Perspektive mögen wir möglicherweise von unseren Urahnen die Neigung geerbt haben, Vergnügen und Befriedigung aus produktiver Aktivität zu ziehen, doch wir sind nicht mehr eine Gesellschaft von Jägern
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