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Glücksregeln für den Alltag

Glücksregeln für den Alltag

Titel: Glücksregeln für den Alltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard C. Cutler Dalai Lama
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fallen gelassen hatte, dass er bei den Zuhörern das Bild von einem jungen Dalai Lama hinterließ, der in einem sauberen, klimatisierten Klassenzimmer an einem Resopal-Tisch saß, einige Multiple-Choice-Fragen beantwortete und ein paar Aufsätze schrieb, danach sein Prüfungsheft abgab und auf dem Weg zur Tür seine Diplome entgegennahm. Doch die Wirklichkeit war weit davon entfernt. Der Geshe-Grad entspricht sozusagen einem Doktor in buddhistischer Philosophie und ist der Abschluss von siebzehn Jahren harter Arbeit. Er erfordert das intensive Studium vieler Bereiche der buddhistischen Theorie, Logik, Diskussion und Psychologie. Das Studiengebiet ist voller hoch komplizierter Materien und Themen, die so schwierig sind, dass ich mein Fremdwörterbuch holen musste, um herauszufinden, was allein die Sachgebiete bedeuteten: „Mal schauen... Epistemologie... ,Wissenschaftslehre, Erkenntnistheorie“.“ Die mündliche Prüfung dauerte einen ganzen Tag lang. Tibets hochrangigste Gelehrte aus den besten monasti-schen Schulen beschossen ihn in Anwesenheit Tausender Mönche und Gelehrter mit Fragen. Zusätzlich zu diesem gewaltigen Druck, der da auf Tibets jungem Oberhaupt lastete, war die politische Situation in Tibet so angespannt, dass zum ersten Mal in der Geschichte bewaffnete Wachposten - Tibeter und Chinesen -um den großen Hof herum aufgestellt worden waren, da man darauf gefasst war, dass jeden Moment Unruhen ausbrechen würden. Es gab Drohungen, den Dalai Lama umzubringen, und man hatte ihn davon unterrichtet.
    Obwohl es durchaus verständlich ist, dass jemand glücklich ist, nachdem er erfolgreich eine Abschlussprüfung abgelegt hat, war es in seinem Fall nicht gerade das, was man sich als friedlichen, glücklichen Augenblick vorstellt, und ich konnte mir kaum eine Situation denken, die stärker von inneren und äußeren Problemen und Belastungen geprägt war. Und doch behauptete er, dies sei der glücklichste Moment in seinem Leben gewesen - oder zumindest einer der glücklichsten. Für mich gingen die Implikationen seiner Antwort weit hinaus über die Tatsache, dass jemand eine momentane Erleichterung verspürte, nachdem er eine schwierige und Angst einflößende Prüfung bestanden hatte. Vielmehr wies sie auf eine tiefere Verbindung zwischen harter, jahrelanger Arbeit und letztendlichem Glück hin.
    Als ich jetzt an jene Frage nach dem glücklichsten Augenblick in seinem Leben und an seine Antwort zurückdachte, kam mir der Gedanke, dies sei vielleicht eine hervorragende Gelegenheit, die Verbindung zwischen Arbeit und Glück in seinem eigenen Leben anzusprechen.
    „Als man Sie fragte, wann der glücklichste Augenblick in Ihrem Leben war“, erinnerte ich ihn, „sagten Sie, der sei gewesen, als Sie Ihre Prüfung beendet hatten und den Geshe-Titel erhielten. Ich weiß, dass dazu über viele Jahre hinweg sehr viel Arbeit erforderlich war. Ihre Antwort impliziert, dass produktive Aktivität und sinnvolle Arbeit tatsächlich wichtige Komponenten des menschlichen Glücks sind - zumindest in Ihrem Fall. Und das bestätigt voll und ganz die Ergebnisse von Forschern und Sozialwissenschaftlern, die der Ansicht sind, dass, wenn es um Erfüllung im Leben geht, die Arbeit eine wichtige Komponente für das menschliche Glück ist. Manche dieser Wissenschaftler meinen, das Gehirn sei möglicherweise genetisch darauf programmiert, durch produktive und sinnvolle Aktivität, durch das Üben und die Anwendung unserer Fertigkeiten und durch die Interaktion mit unserer Umgebung und durch deren Gestaltung Glück zu empfinden.
    Daher finde ich wirklich interessant, dass Sie nicht sagen, Sie hätten Ihren glücklichster Moment erlebt, als Sie einmal in einsamer Meditation dasaßen oder als Sie sich in einem friedlichen Zustand der Ruhe befanden, sondern andeuteten, dass er mit harter Arbeit verbunden war und mit dem Erreichen eines bestimmten Ziels — und zwar auf einer eher konventionellen Ebene.“
    Der Dalai Lama schien sehr aufmerksam zuzuhören, dann antwortete er: „Ich kann Ihre Auffassung verstehen, dass Sie dies mit einem gewissen Maß an Befriedigung in Verbindung bringen. Und in diesem Fall bezieht sich Ihre Beschreibung der produktiven Aktivität eher auf die nach außen orientierten Aktivität, über die wir zuvor sprachen. Ich möchte das mit einem Beispiel bestätigen. Als ich jung war, in Tibet, reparierte ich gerne Dinge und zerlegte gerne mechanische Geräte oder Gegenstände wie Uhren; ich versuchte ihre

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