Glücksspiel der Liebe
Jonathon, nahm sie an.
Unschuldig fragte sie: »Ist was?«
»Sind das Zeichnungen von...« Oliver hielt inne, als fände er nicht die richtigen Worte oder zögere, sie auszusprechen.
»Natürlichen Objekten?« Jonathon warf das Wort über die Schulter und beugte sich weiterhin über die Zeichnungen. Ihr wäre es wirklich lieber, er würde das nicht tun.
»Was genau meinen Sie mit natürlichen Objekten?«
»Du weißt ganz genau, was wir meinen.« Oliver verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir meinen, ob diese Zeichnungen lebendige Menschen darstellen?«
»Modelle sagt man eigentlich«, murmelte Jonathon.
»Trotzdem lebendig.« Oliver wartete. »Also?«
»Aber natürlich«, entgegnete sie ungerührt. »Man kann keine Kunst schaffen, wenn man nicht vom Leben lernt. Die Kunst ahmt das Leben nach und erhöht es.«
»Diese hier benötigen kaum noch Erhöhung«, raunte Jonathon. »Kleidung vielleicht, aber...«
»Das reicht dann wohl, vielen Dank.« Fiona schritt quer durch den Raum, trat zwischen die beiden Männer und sammelte ihre Zeichnungen auf dem Tisch zusammen. »Ich wusste, ich hätte sie euch nicht zeigen sollen.«
»Wusste dein Vater davon?«, fragte Oliver so streng, wie nur ein Vater es konnte.
»Vater wusste sehr wohl von meinen Studien.« Sie entriss Jonathon ein Blatt. Er grinste sie schelmisch an. Sie beachtete ihn nicht.
»Aber sicherlich hätte Onkel Alfred nie geduldet, dass seine älteste Tochter nackte Menschen zeichnet?«
»Vater hätte sehr wahrscheinlich das Zeichnen nackter Menschen nicht geduldet oder auch nur anerkannt, dass Menschen im Allgemeinen unter ihrer Kleidung nackt sind«, gab sie sachlich zurück. »Vater war kein künstlerischer Typ.«
Jonathon gluckste. »Ich möchte wetten, er wusste nichts davon.«
»Er wusste nichts davon?«, wiederholte Oliver fassungslos. »Er wollte nie deine Arbeiten sehen? Wollte nie deine Fortschritte überprüfen? Hat sich nie erkundigt, ob du mit nackten Frauen und Männern herumtollst?«
»Sei nicht töricht, Oliver. Es gab kein Herumtollen.« Sie verdrehte die Augen. »Ich kann nicht fassen, dass du so etwas sagst. Sie haben posiert. Ich habe sie gezeichnet. Mehr nicht.«
»Lieber Himmel, alter Mann, du klingst wie dein Vater.« Jonathon wandte sich wieder den Zeichnungen zu und breitete einige fächerförmig aus. »Außerdem sehen sie überhaupt nicht so aus, als tollten sie herum.«
»Ach sieh sie dir doch an.« Oliver schnaufte. »Sie... sie... sie lächeln!«
»Nicht alle. M anche sind auch nachdenklich.« Fiona schwieg kurz. »Na gut, einige sehen wohl recht glücklich aus.«
»Natürlich sehen sie glücklich aus. Sie sind nackt.« Jonathon betrachtete sie gedankenverloren. »Ich bin jedenfalls immer sehr glücklich, wenn ich nackt bin.«
Es war nicht ihre Absicht, doch ohne nachzudenken schenkte sie ihm ein kokettes Lächeln. »Ach ja?«
»Unbedingt.« Jonathons Blick konnte nur als sehr direkt beschrieben werden. Ein verzückter Schauer durchfuhr sie.
»Hört sofort damit auf. Niemand ist hier glücklich!« Oliver schäumte vor Wut. »Und du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Cousine. Was deines Vaters Wissen um deine Beschäftigungen anbetrifft.«
»Vater hielt nicht viel von Kunst und hielt dementsprechend auch nicht viel von meinen Zeichnungen. In seinen Augen war das ein Luxus. Ich widersprach ihm weder, noch störte es mich.« Ihr Blick flog über die Bilder. Trotz der zugegebenermaßen peinlichen Posen war sie stolz darauf. »Seine Einstellung gestattete mir ein gewisses Maß an Freiheit.«
Jonathon verbiss sich ein Lachen.
Oliver stöhnte. »Aber Fiona, um nackte Menschen zu zeichnen musstest du doch auch nackte Menschen sehen?«
»Das erweist sich in der Regel als notwendig.« Wieder begann sie, die Blätter zusammenzuschieben.
»Haben Sie denn überhaupt kein Schamgefühl?« Jonathons ernster Tonfall konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich über Olivers Schock und seine Möglichkeit zur Revanche köstlich amüsierte.
Sie blickte auf. »Es gibt keinen Grund sich zu schämen. Meiner unbescheidenen Meinung nach sind die Arbeiten sehr gut.«
Er lächelte sie an. »Da stimme ich gerne zu. Höchst eindrucksvoll.«
» Aber sie sind nackt!« Oliver wurde dunkelrot im Gesicht. »Ich verlange eine Erklärung.«
»Wie bitte?« Erstaunt starrte sie ihn an. Gut, sie kannte ihren Cousin nicht besonders gut. Doch bislang hatte er auf sie nicht unbedingt prüde gewirkt. Überraschung hatte sie
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