Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Möglichkeiten war ich ja schon mit dem Berliner
Kommissar durchgegangen.
Ich versuchte,
mir Tietjes Schlüsselbund in Erinnerung zu rufen. Wenn mich nicht alles täuschte,
war unter seinen Schlüsseln keiner, der zu einem Schließfach gepasst hätte.
Aber was
hieß das schon?
Wieder zu
Hause informierte mich Christine, dass Kommissar Fischer angerufen habe und um Rückruf
bitte.
»Welcher
Fischer? Heidelberg oder Berlin?«
»Der, den
ich nicht kenne.«
»Der so
schön lispelt.« Fast freute ich mich, ihn wieder sprechen zu dürfen. Was für Wunder
so eine kleine Trainingseinheit wirkte! Als ich ihn jedoch am Apparat hatte, verflog
die Freude.
»Wir brauchen
Sie hier noch einmal, Herr Koller. Sie und Dr. Karst. Können Sie am Freitag kommen?«
»Wohin?«
»Na, zu
uns nach Berlin.«
»Nicht schon
wieder! Bitte nicht.«
»Was haben
Sie gegen uns?«
»Nichts.
Aber meine Familie vermisst mich.«
»Ihre Exfrau?«
»Ja, die
vor allem. Ich beweise es Ihnen. Christine!«, brüllte ich durch die Wohnung. »Ich
muss nach Berlin. Vermisst du mich?«
»Im Moment
nicht«, kam es von der Toilette.
»Wir zahlen
Ihnen den Flug«, versprach der Kommissar.
»Und warum
muss ich noch einmal anrücken?«
»Es geht
um die Details von Samstagabend. Wie und wann Sie Tietje gefunden haben. Unsere
Spezialisten tun sich schwer mit der Bestimmung des exakten Todeszeitpunkts.«
»Ist das
so wichtig?«
»Natürlich.
Außerdem sollten wir uns über Tietje unterhalten.«
»Das können
wir auch am Telefon. Schon gut, schon gut, ich beuge mich der Gewalt und werde kommen.
Hat sich in Tietjes Büro noch etwas gefunden?«
»In der
Hütte? Nichts, was auf seine aktuelle Tätigkeit schließen ließe. Klar ist allerdings,
dass er die Bude mit allen möglichen Gerätschaften ausgestattet hatte. Eine regelrechte
Abhöranlage war da installiert. Alles vom Feinsten.«
»Das ist
nicht meine Welt«, seufzte ich und legte auf. Ich hatte gut seufzen! Was half Tietje
all sein modernes Instrumentarium, wenn ihm rohe menschliche Gewalt zusetzte? Zack,
eins über den Schädel und ab in den Eispalast!
Das Ding
ist zu groß für dich, Koller …
Eine Abhöranlage!
Ich tippte mir an die Stirn. Reine Spielerei, wenn man mich fragte.
Aber irgendetwas
war durch das Gespräch mit Fischer zwo in Gang gekommen. Irgendein Gedanke hatte
sich gelöst. Nur welcher? Ich tappte hinunter in den Hof, wo ich mir ein Büro in
einem alten Schuppen eingerichtet hatte: nicht halb so groß wie Tietjes Hütte und
nicht einen Bruchteil so modern eingerichtet, dafür heil und gebrauchsfähig. Während
mein PC hochfuhr, überlegte ich mir eine Strategie. Dann suchte ich im Netz nach
der Adresse und Telefonnummer einer Berliner Kneipe, die ich ohne zu zögern anwählte.
»Zum alten
Leuchtturm«, drang es aus dem Hörer.
»Ich weiß
nicht, ob Sie sich an mich erinnern«, sagte ich. »Vor etwa zehn Tagen war ich bei
Ihnen. Hab mich erst mit Ralf Tietje unterhalten und später beim Verlassen Ihres
Lokals einen Tisch umgeschmissen. Ganz aus Versehen natürlich.«
Ich hörte
jemanden tief Luft holen. Und dann ging es los, das Trommelfeuer: »Bist du bekloppt,
du Arschloch? Auch noch anzurufen! Komm vorbei, wenn du Eier hast, dann unterhalten
wir zwei uns mal.«
»Hören Sie,
es tut mir leid, was passiert ist. Ich bin bereit, für den Schaden aufzukommen.«
»Red keinen
Müll!«
»Vor allem
aber tut mir leid, was mit Tietje passiert ist. Wir hätten zusammen …«
»Halt’s
Maul!«, brüllte der Wirt. Der Rest seines Geschreis bestand in Flüchen, die entweder
nicht druckreif oder nicht hochdeutsch waren. Ich wartete.
»Schon gut«,
sagte ich, als er fertig war. »Ich verstehe, dass Sie wütend sind. Mit dem Mord
habe ich allerdings nichts zu tun. Im Gegenteil, wahrscheinlich bin ich der Nächste,
dem es so geht wie Tietje. Oder Sie und die beiden, die auf mich aufpassen sollten.«
»Was?«,
keuchte es.
»Ich will
herauskriegen, was da gelaufen ist. Tietje muss bei seinen Ermittlungen irgendwelchen
Leuten auf die Füße getreten sein. Wissen Sie, hinter was oder wem er her war?«
»Erstens
habe ich keine Ahnung, und zweitens wüsste ich nicht, was dich das angeht!«
»Das sagte
ich doch gerade: Könnte sein, dass die jetzt mich auf dem Kieker haben. Oder den
Leuchtturm. Tietje und ich sind uns zufällig in die Quere geraten. Wir hätten zusammenarbeiten
sollen. Dazu ist es jetzt zu spät. Das Einzige, was ich tun kann, ist, seine Ermittlungen
fortzuführen. Aber
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