Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
dreimal um den Brocken. Als ich gestern
mit ihr telefonierte, war alles in Butter. Sportlich zumindest.«
Seine Miene
verdüsterte sich kurz. »Wenigstens das«, murmelte er.
»Und Sie?
Wie ist das Wetter an der Ostsee?«
»Schön,
sehr schön sogar.« Prompt strahlte er wieder. »Wir sind jeden Tag am Strand. Die
Kinder genießen es.«
»Vor allem
genießen sie es, ihren Papa mal um sich zu haben, oder?«
Seine Antwort
fiel dem Auftritt von Kommissar Fischer zum Opfer, der sich umständlich, aber nun
mal herrlich lispelnd für die Umstände entschuldigte. Er bat uns beide herein, reichte
den Arzt an einen Kollegen weiter und bot mir einen Kaffee an.
»Was meinen
Sie, wem es wieder besser geht?«, freute er sich händereibend.
»De Weert?«
»Aber nein!
Unserem Maschinchen!«
»Dann hat
sich die Reise schon gelohnt.«
Ja, der
Kaffee. Das Krönchen, das Schäumchen, das Zückerchen. Fischer war umgänglicher denn
je, und so ähnelte unsere Unterhaltung anfangs einer Plauderei unter Freunden. Gottchen,
der Tietje! Der hat sich aber auch ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt.
Und jetzt? Schön ist das nicht. Fischer legte mir einen Ablaufplan der Ereignisse
vom Samstagabend vor: den Zeitpunkt unseres Eintreffens, die Minuten, die wir in
der Kältekammer zugebracht hatten, wann Dr. Karst das Icelab abgeschaltet hatte
und so weiter. Viel helfen konnte ich ihm nicht, da ich ja nicht dauernd auf die
Uhr geschaut hatte. Aber ich gab mein Bestes.
»Haben Sie
noch irgendwo verwertbare Unterlagen Tietjes gefunden?«, fragte ich irgendwann.
Er schüttelte
den Kopf. »Bislang nicht. Wir sind seinen Freundeskreis durchgegangen, der übrigens
nicht besonders groß ist, aber dort wusste niemand, woran Tietje gerade arbeitete.
Zwischen Beruf und Privatsphäre hat der Kerl eine Demarkationslinie gezogen.«
»War er
nicht verheiratet? Keine Freundin?«
»Zurzeit
wohl nicht.«
»Das heißt,
es gibt weiterhin keinen Hinweis darauf, womit sich Tietje in den letzten Wochen
beschäftigte?«
»Keinen.
Dass er im Bereich Sport ermittelte, liegt nahe. Mehr wissen wir leider nicht.«
»Oder wollen
es mir nicht sagen.«
»Aber, Herr
Koller«, grinste er. »Warum so misstrauisch? Wir spielen doch mit offenen Karten,
nicht wahr?« Und als ich schwieg, langte er nach einer Mappe, der er ein Foto entnahm.
»So offen spielen wir, dass wir Ihnen dies hier nicht vorenthalten wollen.« Er reichte
mir den Abzug.
Ich erkannte
Tietjes Dartscheibe sofort wieder. Die aus dem Schlafzimmer. Nur dass über der 12
nicht mehr der Lockenkopf des Unbekannten prangte.
Sondern
meiner.
»Rasend
komisch«, sagte ich.
»Finden
Sie?«
»Schon.
Wo haben Sie das her?«
»Aus Tietjes
Wohnung. Aus seinem Schlafzimmer, genauer gesagt. Vielleicht warf er sich so für
den Tag warm, oder er schlief besser, wenn er sich an seinem Lieblingsfeind abreagieren
konnte. Seltsam nur, dass Sie dieser Feind gewesen sein sollen. Sie haben ihm doch
nichts getan, oder?«
»Er dachte
wohl, ich schnüffle in seinem Revier.«
»Mehr nicht?
Deshalb bewirft er Sie mit Dartpfeilen?«
»Man kann
in die Leute nicht hineinsehen.«
»Das ist
wahr.« Fischer nahm mir den Abzug aus der Hand und hielt ihn sich dicht vor die
Augen. »Aber wie kam Tietje an Ihr Foto?«
»Vermutlich
hat er mich in Kienbaum geknipst. Ich trug damals diese Jacke.«
»Verstehe.«
Noch immer betrachtete er das Foto. »In Tietjes Wohnung waren Sie aber nicht?«
»Nein«,
sagte ich und begriff im selben Moment, dass Fischer zwo mir eine Falle gestellt
hatte. Wie sich seine Augen an dem Bild festsaugten! Bloß nicht hochschauen, hieß
dieser Saugeblick, bloß keinen verräterischen Wimpernschlag! »Außer«, setzte ich
hinzu, »als wir miteinander quatschten, Tietje und ich. Da schon.«
Prompt sah
er auf. »Sie waren in der Wohnung?«
»Nur kurz.
So viel hatten wir uns auch wieder nicht zu sagen.«
»Davon haben
Sie nie etwas erzählt!«
»Nein?«
»Nein! Sie
sagten, Sie seien Tietje von Kienbaum nach Berlin gefolgt und hätten ihn abgefangen,
als er aus dem Auto stieg. In der Landsberger Allee.«
»Habe ich
das? Stimmt ja auch. Am Ende gingen wir noch zu ihm hinein. Aber wirklich nur ganz
kurz. In sein Schlafzimmer ließ er mich natürlich nicht.«
»Das heißt,
die Dartscheibe haben Sie nie gesehen?«
»Nein. Wobei
…« Ich drehte das Foto so, dass ich einen Blick darauf werfen konnte. »Wenn ich
mich recht erinnere, lag ein Pfeil auf dem Wohnzimmertisch. Mit dem werde ich ein
wenig
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