Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Kopfgeldjäger vom Ordnungsamt, der nur darauf gierte,
mir irgendeinen Verstoß gegen die Verkehrsregeln nachweisen zu können. Reifentreten
gehörte bestimmt dazu. Also schloss ich den Smart ab und stürmte, Tietjes Wanze
in der Faust, hoch in unsere Wohnung.
Das Ding
auf den Küchentisch pfeffern, Christines Verständnislosigkeit genießen, noch einen
Fluch vom Stapel lassen. Aber kräftig!
»Na, was
sagst du dazu?«
Meine Ex
legte den Flyer eines Pizza-Services zur Seite und griff mit zwei Fingern nach dem
Mitbringsel. »Wo hast du das her?«, fragte sie, während sie es sich von allen Seiten
besah.
»Nun rate
mal, was das ist!«
»Eine Wanze?«
Jetzt war
ich es, dem die Verblüffung sämtliche Gesichtszüge verrutschen ließ. »Wie meinen?«,
stotterte ich, überzeugt, mich verhört zu haben.
»Keine Wanze?«
»Doch …
Aber woher weißt du das?«
»Ich habe
zuletzt einen Film gesehen, in dem kam so ein Ding vor.«
»Einen Film!«,
stieß ich voller Verachtung hervor. »Ich höre nur: Film! Das hier ist eine echte
Wanze, verstehst du? Mit ihr hat dieses Aas von Tietje Katinka abgehört. Bleib mir
vom Hals mit deinen zusammengeflickten James-Bond-Fakes!«
»Es sah
aber so aus«, beharrte Christine. »Genau so.«
»Na, und?«
»Ach, Max«,
seufzte sie und reichte mir den Flyer. »Ich nehme eine Margarita. Die sind eh so
fett, diese Pizzas, da braucht es nicht auch noch Massen von Belag.«
»Ist dir
eigentlich klar, was das heißt? Eine Wanze in Katinka Glücks Auto!«
»Es heißt,
dass dein Kollege eure Gespräche mitgehört hat.«
» Ihre Gespräche!«, rief ich und begann, in der Küche herumzulaufen. »Ihre, verstehst du
nicht? Also schon unsere, sie wird ja keine Selbstgespräche … Herrje, wie kann man
nur so begriffsstutzig sein? Es bedeutet, dass Tietje ganz gezielt hinter Katinka
her war. Und der Zeitungstante hat er etwas von Doping gesteckt. Na, wie sieht das
für dich aus?«
»Ich dachte,
deine Katinka Glück sei eine ausgesprochene Antidopingkämpferin?«
»In Worten,
ja! Aber auch in Taten? Letztes Jahr läuft sie Bestzeit, gegen alle Erwartungen.
Sie ist stark wie nie. Ihre Oma und ihr Vater beten ihr vor, dass Olympia das Größte
sei, die Chance ihres Lebens. So etwas darf man sich nicht entgehen lassen! Dafür
muss man jedes Mittel einsetzen!«
»Jedes?
Sie hat doch Kinder.«
»Ja, hat
sie. Vielleicht war sie ja bisher clean. Aber jetzt, da der Nachwuchs auf der Welt
und die Familienplanung abgeschlossen ist, kann man womöglich ein bisschen herumexperimentieren.
Im Zweifelsfall schädigt man nur sich selbst. Zum Abschluss der Karriere noch einmal
internationale Aufmerksamkeit. Endlich ran an die Fleischtöpfe des Spitzensports!
Nachvollziehbar?«
Christine
schwieg. Ihre Blicke wanderten von meinem wütenden Gesicht zu dem Pizzaflyer, den
ich achtlos in den Fingern zerknitterte, und wieder zurück. »Dir scheint ja viel
an der Frau zu liegen«, meinte sie schließlich, »wenn du dich so darüber aufregst.«
»Quatsch!«,
fuhr ich auf. »So ein Schwachsinn!«
»Hoppla.«
Sie grinste. »So dünnhäutig? Fast könnte man glauben, du seist gekränkt. In tiefster
Seele verletzt und gedemütigt! Dass ich das noch erleben darf …«
»Halt keine
Predigten«, murmelte ich und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Legte den Kopf in
den Nacken und schloss die Augen, um sie nie, nie wieder zu öffnen.
»Auch eine
Margarita, Max?«, drang es durch das Dunkel.
»Frutti
di Mare«, seufzte ich. »Mit zwei Zentimetern Käse oben drauf.«
30
Sehr viel Zeit sparte ich durch
den Flug nach Berlin nicht. Dank Transfers, Ein- und Auschecken war ich am Ende
fast vier Stunden unterwegs, gerade mal eine Stunde kürzer, als wenn ich den Wagen
genommen hätte. Bequemer war es natürlich. Ich las die halbe Süddeutsche bei meinem
Sitznachbarn mit und machte zwischendurch ein Nickerchen. Und ich lernte einen Beruf
kennen, von dem ich charakterlich womöglich noch weiter entfernt war als vom Kunstlehrer:
Stewardess.
Wobei es
auf einen Versuch ankäme.
Im Flur
des Polizeipräsidiums traf ich Dr. Karst, der längst wieder sein Optimistengesicht
aufgezogen hatte und mich mit kräftigem Handschlag begrüßte. Eher pro forma jammerten
wir ein bisschen über unsere staatsbürgerlichen Pflichten, die uns aus den wohlverdienten
Ferien gerissen hatten.
»Wie hat
Katinka den Halbmarathon überstanden?«, erkundigte er sich.
»Gut, denke
ich. Wahrscheinlich jagt sie gerade ihren Mann
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