Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
ich.
    Reflexartig
griff er nach einem frischen Glas. Bevor er es jedoch füllte, pflückte er die drei
Scheine vom Tresen und steckte sie in die Tasche. Dann erst öffnete er den Zapfhahn.
    »Manne hat
immer noch Knieschmerzen«, maulte er.
    »Der Arme.
Sagen Sie ihm einen schönen Gruß von mir und dass ich Bewegung empfehle. Eine halbe
Stunde Joggen, und der Schmerz ist weg. Wer hat Tietje umgebracht?«
    Überrumpelt
schaute er mich an. »Wie soll ich das wissen?«
    »Sie kannten
ihn doch.«
    »Ja, aber
über seinen Job hat er nie geredet. Mit mir nicht und mit den anderen auch nicht.
Vor Jahren ist er mal auf die Fresse gefallen, als er zu vertrauensselig war und
mit einem Kumpel über Details quatschte. Seither: nichts mehr. Kein Wort, zu niemandem.«
    »Woran er
zuletzt saß, wissen Sie also nicht?«
    »Nee.« Er
schob mir das Bier über den Tresen. »Wohl bekomm’s.«
    »Und Alice,
seine Freundin?«
    Stirnrunzeln.
»Nach der hast du mich doch schon am Telefon gefragt. Ich weiß von keiner Alice.«
    »Hatte Tietje
keine Partnerin?«
    »Nee, schon
lange nicht mehr. Seit er mal vor Jahren auf die Fresse gefallen ist …« Er brach
ab, als er sah, wie ich die Augen verdrehte. »Ist aber so«, murmelte er beleidigt.
»Ralf und Frauen – vorbei, abgehakt.«
    »Frauen
sind eh eine Zumutung«, sagte einer der Gäste, der gute Ohren haben musste. Keinen
Grips, aber gute Ohren.
    Schweigend
öffnete ich meinen Rucksack und suchte nach den DIN-A4-Ausdrucken der beiden Dartscheibenfotos
aus Tietjes Wohnung. Die Fotos hatten nur Handyqualität, weshalb die Vergrößerung
ziemlich unscharf geraten war. Trotzdem ließen sich die Gesichtszüge des Lockenkopfs
mehr als nur erahnen.
    »Kennen
Sie den?«, fragte ich den Wirt.
    Er nahm
die zwei Blätter entgegen und überlegte. Legte das eine beiseite, um sich am Kopf
kratzen zu können, und nickte schließlich. »Der war mal hier.«
    »Und wer
ist es?«
    »Keine Ahnung.
Ist auch schon einige Wochen her. Er und Ralf saßen zusammen und quatschten.«
    »Worüber,
wissen Sie natürlich nicht?«
    »Nee.«
    »Und sonst?
Name, Adresse, Beruf, Nationalität? Verbinden Sie überhaupt irgendetwas mit dem
Mann? War er ein Freund von Tietje? Sein Auftraggeber vielleicht? Ging es um Geschäftliches
oder Privates?«
    Mein Gott,
da ratterte ich meine Fragen herunter, aber dieser Prachtkerl von Spelunkenwirt
schüttelte nur den Kopf und gab den Ratlosen. »Nee«, murmelte er, »keine Ahnung
… ein Freund war das nicht.« Er brummte und verneinte, ich überlegte mir weitere
Stichworte, die ich ihm als Köder vorsetzen konnte, und weil uns beide dieses Spiel
so beschäftigte, achtete ich nicht auf die Schritte in meinem Rücken. Natürlich
merkte ich, dass da jemand war, aber dieser Jemand konnte warten. Und als ich mich
umdrehen wollte, war es zu spät.
    Ein Arm
schlang sich von hinten um meinen Hals. Mein Kopf wurde mit solcher Gewalt zurückgerissen,
dass es in meiner Wirbelsäule knackte. Von einem Moment auf den anderen starrte
ich an die Decke der Kneipe. Außerdem roch es nach Seehund.
    Nach Seehund?
    Okay, das
ist jetzt übertrieben. Trotzdem wusste ich gleich, dass der Typ von vor zwei Wochen
hinter mir stand. Der mit den Knieschmerzen. Und er war gewillt, sie mir doppelt
und dreifach zu vergelten.
    »Schau an,
wen haben wir denn da?«, zischte er so nahe an meinem Ohr, dass mich sein Schnauzer
kitzelte. »Dieses kleine Arschloch! Wiedersehen macht Freude, was?«
    Selbst wenn
ich gewollt hätte: Zu einer Antwort war ich in dieser Situation nicht fähig. Ich
krallte meine Hände in seinen Arm, um seinen Griff zu lockern, doch Erfolg zeitigte
diese Maßnahme nicht.
    »Lass ihn,
Manne«, hörte ich den Wirt sagen. »Er hat sich entschuldigt.«
    Von so einem
lauwarmen Einwurf ließ sich ein Berliner Schnauzbart natürlich nicht um seine Rache
bringen. Er drückte nur noch fester zu. Dabei schaukelte er mich hin und her, wie
eine Mutter ihr Neugeborenes.
    »Hnng«,
machte ich. »Hrrg!« Comicsprechblasen. Manne lachte sich eins.
    »Ist ja
gut«, sagte der Wirt. Die anderen Gäste feixten wahrscheinlich.
    Okay, mit
roher Gewalt konnte ich dem Seehund in meiner momentanen Lage nicht kommen. Ich
musste auf ein Terrain ausweichen, auf dem ich ihm überlegen war. Auf das Terrain
von Spontaneität und Geistesgegenwart, so wie vor zwei Wochen. Leider war diesmal
keine Braut in Stöckelschuhen zur Hand. Allerdings hatte der Seehund noch eine andere
Schwäche.
    Und zwar
Bier.
    Mit einer
Hand langte

Weitere Kostenlose Bücher