Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Foto verschwunden. Schon kam das nächste aus dem Festplatten-Orbit
angeschwebt: Moritz, nackt im Garten. Zum Teufel mit dem Garten! Am liebsten hätte
ich mein Glas gegen den Monitor gefeuert. Da bemühte man sich, diese Sportler zu
verstehen, suchte händeringend nach Argumenten, die sie von einem Verdacht befreiten
– und dann das!
»Woher kennt
ihr Brose?«, zeterte ich.
»Wen bitte?«
»Brose,
Dr. Ben Brose. Ihr kennt ihn! Gerade hat er mich von eurem Computer angelacht.«
Sie sahen
zum Bildschirm, zu mir, wechselten Blicke. »Keine Ahnung, von wem du redest«, sagte
Heiner.
»Ach nein?«
»Wirklich
nicht!«
»Und du?«,
herrschte ich Katinka an. »Du hast mich angelogen!«
»Wie bitte?«
Ihre Augen versprühten Blitze.
»Okay.«
Ich stellte mein Glas ab. »Ich will dieses Foto noch mal sehen. Bitte keine Ausflüchte
oder Tricks. Ich weiß, dass es auf eurem PC ist, also zeigt es mir.«
»Aber wir
kennen keinen Brose«, beharrte Heiner. »Was war das für ein Foto? Wer war noch drauf?«
»Was weiß
ich? Ich habe nur auf ihn geachtet. Warte!« Ich schloss die Augen und versuchte,
mich zu konzentrieren. »Eine Gruppe von Leuten, Brose am Rand. In der Mitte eine
Frau. Läuferin. Könnte Birthe Möller gewesen sein. Die anderen auch in Trainingsanzügen,
einer mit den deutschen Farben, glaube ich. Es sah aus wie eine Gratulation oder
Ehrung.«
Heiner schaute
ratlos zu seiner Frau hinüber. »Berlin«, sagte die.
Es dauerte
keine Minute, dann hatten wir das Foto gefunden. Es war Teil eines Ordners »Berlin
2011«, der Bilder von Katinkas letztem Marathon enthielt.
»Ja, das
ist Birthe«, sagte sie und zeigte auf die schlanke Frau in der Mitte. »Kurz vor
oder nach der Siegerehrung. Heiner hat die Fotos gemacht.«
»Von deiner
Konkurrentin?«
»Sie war
ja beste Deutsche an dem Tag. Hier, das ist der Langstreckentrainer des DLV, dahinter
Dr. Karst, der Rest gehört zum Verband oder zum Veranstalter. Ich stand auch ganz
in der Nähe.«
»Und Brose?«
»Wen meinst
du?«
Mein Finger
trommelte gegen den Monitor. »Na, den hier! Du musst dich doch erinnern!«
»Nein, Max!«,
rief sie. »Von dem hast du mir zuletzt schon ein Foto gezeigt!«
»Eben. Und
wer ist das?«
»Keine Ahnung!
Der Raum war voller Leute, die ich nicht kannte. Vielleicht gehört er zu den Berlinern,
oder er ist neu im DLV oder irgendein Journalist – sag du es mir!«
»Mist! Und
du?«, wandte ich mich an Heiner.
Kopfschütteln.
»Er ist
Mathematiker«, erklärte ich wütend. »Mathematiker, Stochastiker oder so was. Bin
auf seinen Namen ja selbst erst heute gestoßen. Und prompt begegne ich ihm hier
wieder. Wie, verdammt noch mal, kann das sein?«
»Vielleicht
macht er die Statistik für den Verband«, sagte Katinka. »Was ist denn so Besonderes
an ihm?«
»Das Besondere?
Das kann ich dir sagen. Das Besondere an ihm ist die Tatsache, dass er Tietje kannte.
Dass er möglicherweise Tietjes Auftraggeber war. Capito?«
Na, das
mussten sie erst einmal verdauen. Ich auch irgendwie. Ein Griff zur Whiskyflasche
– wozu braucht der Mensch Gläser? Seufzend nahm ich wieder Platz.
»Okay«,
meinte Katinka schließlich. »Das wirft natürlich ein seltsames Licht auf ihn. Trotzdem
kann ich nur noch einmal erklären, dass wir den Mann nicht kennen.«
Heiner nickte.
Vielleicht
hätte ich das so akzeptieren sollen. Schweigen, Mund abwischen, heimgehen. Aber
ich konnte nicht. Die beiden waren nicht irgendwer; sie waren mir – verflucht, ich
sag’s ungern – im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen, da genügen einem solche Behauptungen
nicht.
Also holte
ich Luft und sagte, erst leise, dann immer lauter: »Schön. Leider glaube ich euch
nicht. Ich glaube euch beiden einfach nicht. Versteht ihr, ich würde es gern glauben,
aber es geht nicht!« Ich sprang auf und ging im Zimmer umher. War schon beim Rufen
angelangt: »Die ganze Zeit frage ich mich, worin die Verbindung zwischen dir und
Tietje besteht, Katinka. Was hat ihn so interessiert an dir, warum hat er dich abgehört,
wer brachte ihn auf deine Spur? Und jetzt habe ich endlich eine Antwort, ich habe
ein Gesicht und einen Namen – aber ihr streitet alles ab. Kennen wir nicht, nie
gesehen, keinen Schimmer.« Jetzt, brüllend: »Und das soll ich glauben?«
»Dann lass
es halt«, sagte Katinka und stampfte hinaus.
»Beschafft
er dir Dopingmittel?«, rief ich ihr nach.
Sie fuhr
auf dem Absatz herum. »Du spinnst wohl!«, stieß sie hervor.
»Kann sein,
dass ich spinne. Aber ich bin
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