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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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immer noch klar genug, um sicher zu sein, dass ihr
Brose kennt.«
    »Du verrennst
dich.«
    »Und wenn
ich bei euch in den Medikamentenschrank schauen würde, was würde ich dann finden?«
    Sie starrte
mich an. Dann machte sie einen Schritt auf mich zu, packte mich am Arm und zog mich
aus dem Zimmer. Durch den Flur ging es, die Treppe nach oben bis ins Bad. Dort erst
ließ sie mich los, um eine Schranktür aufzusperren.
    »Das würdest
du finden«, zischte sie. »Zufrieden?«
    Mir fielen
fast die Augen aus dem Kopf. Der Schrank war nicht besonders breit, aber hoch, typischer
Badezimmerschrank eben. Sechs oder sieben Regalfächer, und sie alle waren vollgestopft
mit Medikamenten. Schachteln, Döschen, Tuben, Ampullen, Flaschen – die reinste Lazarettausrüstung.
    »Das hier«,
fuhr Katinka fort, aber im Flüsterton, wegen der Kinder, »sind alles legale Mittel.
Du wirst nicht ein verbotenes Medikament finden, nicht ein einziges, und wenn du
dich auf den Kopf stellst. Von dem Asthmaspray hier abgesehen, aber für das habe
ich eine Ausnahmegenehmigung. Außerdem brauche ich es schon lange nicht mehr.«
    Ich war
immer noch sprachlos. Zeigte mir Katinka ihr medizinisches Arsenal etwa, um sich
zu entlasten? Das war absurd! Völlig verrückt war das!
    »Willst
du etwas mitnehmen und überprüfen lassen?«, fragte sie ungeduldig, die Schranktür
in der Hand.
    »Moment«,
krächzte ich. Und dann noch einmal, leiser: »Moment, Katinka. Sind diese Medikamente
alle für dich?«
    »Nicht alle.
Die meisten. Dort unten stehen die Sachen für die Kinder.«
    »Das ist
doch Wahnsinn! So was habe ich noch nie gesehen, außer im Krankenhaus. Bist du krank,
Katinka? Willst du in den Krieg ziehen?«
    Heiner,
der am Türrahmen lehnte, legte einen Finger auf die Lippen. Katinka sah mich verständnislos
an.
    »Wie viele
Mittel sind das?«, fuhr ich fort. »100, 200? Du bist die gesündeste, sportlichste
Frau, die mir jemals begegnet ist, und brauchst derart viel Zeug? Erklär mir das!«
    »Hallo?
Schon mal was von Verletzungen gehört? Von Migräne, Bauchschmerzen, ja? Bist du
nie krank?«
    »Ich habe
eine Schachtel Aspirin zu Hause, das reicht mir! Wenn ich mehr brauche, lasse ich
mir was verschreiben.«
    »Ich auch!«,
funkelte sie mich an. »Und ich brauche mehr! Ich betreibe Leistungssport, schon
vergessen? Das ist Schinderei für den Körper, und ohne diese Mittel könnte ich sie
nicht ertragen. Hier, ein Muskeltonikum. Nimmt auch meine Oma. Etwas gegen Entzündungen,
gegen Sodbrennen, für Gelenke und Bänder. Das hier sind Vitaminpräparate, völlig
legal. Besorg dir eine Liste der verbotenen Substanzen und geh die Sachen durch.
Du wirst nichts finden, Max!«
    »Trotzdem
Wahnsinn!« Ich griff wahllos nach Schachteln, die mir bekannt vorkamen. »Wie viele
verschiedene Schmerzmittel sind das? Da fängt es schon an. Pumpst du dich vor jedem
Wettkampf damit voll?«
    »Und wenn?
Du hast doch keine Ahnung von unserem Leben. Wenn ich bei 200 Trainingskilometern
pro Woche keine Schmerzen hätte, wäre mein Körper klinisch tot. Schmerzen sind mein
ständiger Begleiter. Was soll ich tun? Hätte ich vor dem Halbmarathon in Leipzig
einen Rückzieher machen sollen? Nur weil mir das Knie wehtat? Das kann ich nicht,
Max! Ich muss funktionieren.«
    »Aber wo
ist da der Unterschied zum Doping? Das hat doch mit natürlicher Leistungsfähigkeit
nichts mehr zu tun!«
    »Oh, ich
weiß«, erwiderte sie sarkastisch. »Wir Spitzensportler sind so überzüchtet, dass
wir ohne die Pharmaindustrie gar nicht lebensfähig wären. Stimmt’s?«
    »Sei mir
nicht böse, aber genau so sieht es aus. Ich frage mich schon die ganze Zeit, warum
du nicht wie ein normaler Mensch in ein Auto steigen kannst. Sind das die Nebenwirkungen
von dem Zeug hier?«
    Keine Ahnung,
warum ich ausgerechnet jetzt damit kam. Wahrscheinlich, weil mir die Argumente ausgingen.
Katinka jedenfalls wurde aschfahl. Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, verließ
sie das Badezimmer.
    Anschließend
herrschte erst einmal Stille.
    »Das«, kratzte
sich Heiner am Kopf, »war jetzt nicht so clever.«
    Komisch.
So etwas Ähnliches lag mir auch auf der Zunge.
     
     
     
     

34
     
    Entschuldigungen sind nicht so meine
Stärke.
    Ich kann
einige Dinge ganz gut, Fahrrad fahren zum Beispiel und den Leuten Frechheiten an
den Kopf werfen, auch im Schach bin ich nicht schlecht – aber Sachen, die ich nicht
kann, gibt es natürlich viel, viel mehr, und das Formulieren einer Entschuldigung
gehört dazu.

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