Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Schlüssel
im Schloss drehte.
Während
Brose die Aufschrift auf den Konserven entzifferte, überprüfte ich das Kellerfenster.
Es war bloß ein flacher, vergitterter Schlitz unter der Decke. Vielleicht in acht
Wochen, wenn wir nur noch Haut und Knochen waren …
Und die
Tür? Aus massivem Holz, ziemlich neu und ohne jeden Spalt, an dem man einen Hebel
hätte ansetzen können.
Das sah
nicht gut aus.
»Ich liebe
Thunfisch«, hörte ich Brose schwärmen. »Sie auch? Und haben Sie vielleicht einen
Dosenöffner dabei?«
»So ein
Depp!«, schimpfte ich. »Was hat der vor? He, Brose, sagen Sie es mir: Was hat Karst
vor?«
»Wie soll
ich das wissen? Abhauen, würde ich mal sagen. Andreas war schon immer ein schlechter
Verlierer.«
»Für Sie
ist wohl alles ein Spiel?«
»Genau.«
Grinsend ließ er sich auf einem Sprudelkasten nieder. »Das Leben ist ein Spiel.
La vida es juego. Sind Sie dabei?«
Schweigend
hob ich das kleine Bierfass vom Boden auf, wog es kurz in den Händen und stellte
es dann wieder ab. Nachdem ich den Staub entfernt hatte, nahm ich darauf Platz,
Brose direkt gegenüber.
»Sie haben
einen Menschen auf dem Gewissen«, sagte ich und sah ihm ins Gesicht. »Ralf Tietje
hat Ihr Spiel mit dem Leben bezahlt. Ist Ihnen das überhaupt klar, Herr Brose?«
»Tietje.«
Er schnitt eine Grimasse. »Ey, dieser Typ … Der war doch nicht ganz sauber. Wir
hatten eine Abmachung, er und ich. Er sollte herausfinden, an welcher Stelle Andreas
zu packen war. Das bekam er auch professionell hin, der Tietje, kein Thema. Wusste
ja nicht, worum es eigentlich ging. Später sollte er sich ein bisschen um die Glück
kümmern, weil die in Sachen medizinischer Versorgung ihren eigenen Kopf hatte, noch
später um die Glück und Sie. Und da dachte sich der Tietje wohl, jetzt spiele ich
mal nach meinen Regeln.« Achselzucken. »So was kann nicht gut gehen, Herr Koller.
Kann nicht!«
»Wer hat
ihn ermordet?«
Große Geste
des Nichtwissens: »Wollen Sie Namen hören? Ich kenne keine. Keine Gesichter, keine
Nationalität, nicht mal das Geschlecht der Leute. Der Tietje wurde natürlich überwacht,
und als er sich mit Andreas in Kienbaum treffen wollte, hatte er den Bogen überspannt.
Der wollte ihn sich kaufen, stellen Sie sich das mal vor! Und dann: Polizei oder
Presse, lauter dummes Zeug. Okay, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man mit
dem Tietje noch mal geredet, aber so ist das halt, wenn man zu mehreren spielt.«
»Die anderen
also. Und wenn Sie ihn persönlich niedergeschlagen und in der Kältekammer verfrachtet
haben?«
»Von Hongkong
aus?«, lachte er. »Da war ich nämlich über Ostern. Nein, ich kann Ihnen nicht mal
sagen, von welcher Gruppe Tietje erledigt wurde. Ob von den Mexikanern oder den
Asiaten. Letztlich spielt es auch keine Rolle.« Er gähnte. »Was kümmert es die Eiche,
wenn sich die Wildsau an ihr reibt?«
»Die Wildsau?«
Ich lachte leise. »Das hätten Sie jetzt nicht sagen dürfen, Herr Brose.«
Verwundert
sah er zu, wie ich aufstand und das Bierfass packte.
»Was soll
das? Kommen Sie mir jetzt auch mit Gewalt?«
Wortlos
ging ich zur Tür. Dort holte ich aus, zielte und schmetterte das Fässchen mit voller
Wucht gegen das Schloss. Der Schlag dröhnte durch das ganze Haus.
»Nicht!«,
rief Brose. »Das hört er doch, und dann wird er wieder sauer.«
»Wollen
Sie hier Wurzeln schlagen? Ach so, Sie sind ja eine Eiche.« Nächster Versuch. Die
Tür zitterte in den Angeln, rund um das Schloss gab es die ersten Macken. Am meisten
aber zerbeulte das Fässchen. Noch ein Schlag. Und noch einer. Ich begann zu keuchen.
Verdammt, das war ja Krafttraining pur! Mit jedem Versuch verabschiedete sich das
Fass ein weiteres Stück von seiner Zylinderform. Ich drehte es um und schlug mit
dem Boden zu. Dann musste ich eine Pause einlegen.
»Warum probiert
Ihre Katinka Alice nicht einfach aus?«, rief Brose. »Nur so zum Spaß. Ich habe es
auch gemacht, und hey, das Resultat war irre!«
»Was?«,
keuchte ich. »Sie haben sich das Zeug gespritzt?«
»Na klar.
Letzten Sommer. Man muss es mehrmals nehmen, damit es die volle Wirkung entfaltet.
Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich ab und zu jogge. Letztes Jahr habe ich alle
Bekannten in Grund und Boden gerannt. Fünf Prozent Leistungszuwachs? Bei mir waren
es 20.«
»Sie sind
verrückt, Brose.«
»Ich bin
Spieler. Das ist ein Unterschied.« Er nahm eine Flasche aus dem Sprudelkasten und
öffnete sie. »Ehrlich«, sagte er zwischen zwei Schlucken, »das Zeug
Weitere Kostenlose Bücher