Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
müssen ihr sagen, dass sie den Stoff
nicht in sich hat. Sie ist clean, sie kann weitermachen wie bisher.«
»Ich muss
gar nichts. Was ist mit den übrigen Läuferinnen? Mit Romy Feierabend, Birthe Möller
und den jungen?«
Er zuckte
mit den Achseln. »Athleten sind grundverschieden. Es gibt welche wie Katinka, die
fragen bei jeder einzelnen Spritze nach, was drin ist, wollen sehen, wie man die
Originalverpackung öffnet – und es gibt solche, die sind nachlässiger. Die glauben
mir, wenn ich ihnen sage, dass es sich um ein pflanzliches Produkt handelt. Dann
hau es halt rein, Doc! So auf die Tour.«
»Sind die
Frauen nun gedopt oder nicht?«
»Hey, hey,
was heißt hier gedopt?« Brose setzte sich aufrecht hin. »Leistungssteigernde Mittel
nehmen sie alle, auch Ihre tolle Frau Glück. Gedopt ist nur, wer auffällt. Und mit
Alice fällst du nicht auf. Das Zeug ist nicht nachweisbar.«
»Wer’s glaubt!«
»Ehrlich,
das Zeug ist der Hammer. Einer unserer Kunden, der viel mit Laboren zusammenarbeitet,
hat es angeschleppt. Andreas, sag ihm, dass es nicht nachweisbar ist.«
»Ruhe!«,
sagte Karst.
»Was ist
mit Tietje?«, rief ich. »Ich weiß, dass Sie Kontakt mit ihm hatten. Vor einigen
Wochen muss er Sie in Ihrer Praxis aufgesucht haben. Hier in Frankfurt!«
»Ja, er
war da. Er suchte so etwas wie einen Kronzeugen für den Fall. Damals fischte er
noch ziemlich im Trüben. Von mir bekam er jedenfalls keine Informationen. Aber kurz
vor Ostern meldete er sich noch einmal telefonisch, und da schien er deutlich mehr
zu wissen. Auch die Sache mit Alice.«
»Und dann?«
»Wollte
er sich mit mir in Kienbaum treffen. Am Ostersamstag. Ich hatte den ganzen Tag in
Berlin zu tun, und als ich abends im Trainingszentrum ankam …« Wieder zuckte er
die Achseln. »Den Rest kennen Sie.«
»Tietje
wusste zu viel, was?«, wandte ich mich an Brose. »Deshalb musste er sterben.«
Der Lockenkopf
hob abwehrend die Hände. »Damit habe ich nichts zu tun. Ich verabscheue Gewalt.
Total, echt. Wenn Tietje sich an die Spielregeln gehalten hätte, wären seine Mitspieler
nicht so sauer geworden. Ich meine, warum fährt der Mister auch so einen Egotrip?«
»Weil Sie
ihn nicht korrekt entlohnen wollten, nehme ich an. Haben Sie mir selbst am Flughafen
erzählt.«
Grinsend
schüttelte er den Kopf. »Andere Baustelle, Herr Koller. Absolut anders.«
»Schluss
jetzt!«, rief Karst. »Wo ist Katinka hin?«
»Die Polizei
holen, nehme ich an. Was sonst?«
Der Arzt
starrte mich an. Wusste er nicht, was die Polizei war? Oder glaubte er, er käme
ungeschoren davon? Plötzlich wurde er hektisch. Er fuchtelte wie vorhin mit dem
Revolver herum und befahl uns aufzustehen.
»Nun mal
langsam«, sagte ich.
»Ich bin
schwer verletzt«, kam es von Brose. »Ich kann nicht aufstehen.«
»Hoch mit
euch!«, brüllte Karst. »Aber dalli!« Zum x-ten Mal richtete er die Waffe auf eine
Stirn. In diesem Fall traf es wieder Brose.
Ȇberleg
doch mal, Andreas. Erstens ist die Waffe nicht geladen, und zweitens …«
»Maul!«
Karst zielte in eine Ecke und drückte ab.
Klick, machte
es.
»Und zweitens«,
grinste Brose, »kannst du mit dem Ding überhaupt nicht umgehen.«
Dann schrie
er auf, denn der Arzt hatte noch einmal abgedrückt. Und dieses Mal hallte der Raum
von einem dröhnenden Schuss wider. Von der Decke rieselte der Putz.
»Los jetzt!«,
schrie Karst. »Runter mit euch in den Keller. Und keine Spielchen, verstanden?«
»Das bringt
doch nichts«, wandte ich ein und durfte zur Strafe in den Revolverlauf blinzeln.
»Ab jetzt
will ich kein Wort mehr hören! Ist das klar?«
Wir nickten
brav.
39
In Dr. Karsts Vorratskeller reichten
die Lebensmittel für höchstens zwei Tage. Das stellte ich als Erstes fest, nachdem
sich die Tür hinter uns geschlossen hatte. In den Regalen ein alter Blumenkohl,
Olivenöl, drei Marmeladengläser und eine Handvoll Konserven, am Boden angebrochene
Getränkekästen, ein Sack keimender Kartoffeln und eine Fünfliterdose Bier. Auch
hier schien Miriam Karst sämtliche Habseligkeiten mitgenommen zu haben, während
ihr Mann vermutlich von Fertigpizza und Vorwürfen lebte.
»Mann, Mann,
Mann«, murmelte Brose vorwurfsvoll.
Die Tür
öffnete sich noch einmal. »Die Handys«, befahl Karst. »Los, her damit! Alle beide.«
Was sollten
wir tun? Mit einem Revolver in der Hand war der Kerl völlig unberechenbar. Er nahm
unsere Telefone in Empfang und ließ uns allein. Wir hörten, wie sich der
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