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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
Jahre aufgebaut, mit Informanten, Zuträgern, Geldeintreibern.
Und natürlich Agents, das sind die Leute mit einer Wettlizenz. Ohne die geht gar
nichts. Agents und Super Agents, die das alles koordinieren.«
    »Und Sie
meinen, die Geldeintreiber könnten sich Tietje zur Brust genommen haben?«
    »Wer sonst?
Das sind die Jungs fürs Grobe.«
    Ich wartete,
bis er sich den nächsten Schluck Bier zu Gemüte geführt hatte, dann fragte ich:
»Wie war das noch mal mit Alice? Sie haben einen Tipp bekommen, sagten Sie?«
    Er nickte.
»Einer meiner Partner hatte davon gehört. Das Zeug ist in Thailand entwickelt worden,
für Dialysepatienten, soviel ich weiß, aber ob es jemals die Zulassung bekommt,
steht in den Sternen. Die Europäer sind da ja ziemlich pingelig. Und als wir gemeinsam
ein Brainstorming machten, wo und wie es einsetzbar wäre, fiel mir mein alter Kumpel
Karst ein, der gerade seinen Posten als DLV-Arzt angetreten hatte. Dass der sich
mit all dem Epo-Kram auskannte, verstand sich von selbst. Ist ja gewissermaßen sein
Beruf.«
    »Wenn Sie
das sagen … Her mit dem Fässchen!«
    Er reichte
es mir. »Blieb die Frage, ob er mitmachen würde. Aber das konnte Tietje ja rasch
klären.«
    »Und dann
kamen Sie auf diese bescheuerte Idee mit dem Team-Ergebnis beim Marathon.«
    »Bescheuert?«
Ehrlich bestürzt schaute er mich an. »Ganz im Gegenteil. Wenn Sie nicht auffallen
wollen, dürfen Sie nicht auf die Riesenereignisse setzen. Champions League-Finale,
Wembley oder so was. Sondern auf die Anzahl der Einwürfe in der zweiten kroatischen
Liga. Wann der nächste Strafstoß in Belgien gepfiffen wird. Das sind die Wetten,
die sich lohnen. Auch wenn die mehr Mühe machen.«
    Ich nahm
einen langen Schluck Bier. Sollte uns Katinka tatsächlich aufspüren, würde sie uns
gleich wieder einsperren, weil wir stanken wie Stadtstreicher. »Wissen Sie, was
ich von Ihrer Wettscheiße halte, Herr Brose?«, sagte ich. »Diese ganze …«
    »Nee«, unterbrach
er mich mit demselben enttäuschten Blick, den er vorhin in Karsts Wohnzimmer aufgesetzt
hatte. »Nee, nee, nee. Also wirklich, Herr Koller. Das hätte ich von Ihnen jetzt
nicht erwartet. Sie finden Wetten unethisch? Amoralisch? Heucheln Sie doch nicht
so rum! Hier in Frankfurt, nur ein paar Kilometer entfernt, werden gerade Milliarden
darauf gesetzt, dass der Reispreis fällt, dass ganz Griechenland den Bach runtergeht,
dass der Euro an Wert verliert. Es wird gewettet und gezockt, was das Zeug hält,
und wenn in Athen 10.000 Rentner betteln gehen müssen, lassen sie an der Börse die
Champagnerkorken knallen. Auf Haiti hungern die Kinder, weil das Mehl zu teuer ist?
Super, wir haben wieder unseren Schnitt gemacht! Das ist unser Wirtschaftssystem,
Herr Koller, und Sie profitieren davon.«
    »Es ist
ein spezieller Teil unseres Systems.«
    »Träumen
Sie weiter«, grinste Brose und riss mir das Fässchen aus der Hand. »Träumen Sie
weiter bis zum nächsten Crash. Wodurch wurde die Finanzkrise 2008 denn ausgelöst?
Durch Zocker. Aber nicht durch eine Handvoll krimineller Wall-Street-Junkies, sondern
durch Banken weltweit, von New York bis Sachsenhausen. Durch Angestellte der Deutschen
Bank zum Beispiel, die gegen ihre eigenen Geschäfte gewettet haben. Diese Schlipsträger
wussten genau, dass sich ihr Arbeitgeber mit ein paar Übernahmen verhoben hatte
– und genau dagegen wetteten sie. Mit Billigung des Vorstands, stellen Sie sich
vor! Unsere gute alte Deutsche Bank. Und da erzählen Sie mir, es beträfe nur einen
Teil des Systems. Märchen aus Tausendundeiner Nacht, Herr Koller! Haben Sie ein
Girokonto bei der Deutschen? Danke für die Unterstützung der Zockerwelt!« Lachend
legte er den Kopf in den Nacken, um Bier in seinen weit offenen Mund laufen zu lassen.
»Wetten soll unethisch sein!«, kicherte er gegen den goldgelben Strom an. »Unethisch
…!«
    Ich dachte
an den Farbbeutel, der auf Eichelscheids Jackett gelandet war, und schwieg.
    Brose setzte
das Fass wieder ab. »Echt, dass die Leute immer mit ihrer Moral kommen müssen«,
sagte er kopfschüttelnd. »Doping soll ja auch so unmoralisch sein. Nicht wahr, Herr
Koller, das plappern Sie gern nach. Aber warum eigentlich? Was ist so verwerflich
daran, sich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil verschaffen zu wollen? Glauben
Sie, alle Sportler dieser Erde hätten dieselben Startbedingungen? Sind Sie wirklich
so naiv? Wer in großer Höhe lebt, hat nun mal mehr rote Blutkörperchen als Sie.
Finden Sie das gerecht? Nein,

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