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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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unserer
Wehwehchen sind ohnehin psychischer Natur, und die zaubert er dir einfach weg. Durch
Zuhören, durch Reden, durch seinen Optimismus. Keiner kann das so wie er. Und wie
alt er ist, spielt da keine Rolle.«
    Nun, das
mochte stimmen. Neben den Karstschen Urlaubsfotos hingen Zertifikate und Bescheinigungen,
die von der vertrauensvollen Zusammenarbeit des Mediziners mit dem Deutschen Leichtathletikverband
und dem Olympischen Sportbund kündeten. Sportarzt des Jahres, so pries ihn eine
der fröhlichen Hochglanzzeitschriften mit Fit&Fun-Garantie.
    Und als
er dann kam, der Hochgeehrte und Vielbeschäftigte, tat er alles, um seinem vorauseilenden
Ruf gerecht zu werden. Groß, drahtig, Grübchen im Gesicht und ein kräftiges Kinn.
Nur ein bisschen blass sah er aus, der Herr Doktor, aber das bewies ja, wie sehr
er sich für seine Patienten aufopferte. Katinka bekam Küsschen auf die Wangen gedrückt,
bevor er meine Hand packte und mich fragte, ob ich mit ins Behandlungszimmer kommen
wolle.
    »Kein Bedarf«,
winkte ich ab. »Wie lange dauert es denn?«
    »Ein halbes
Stündchen. Vielleicht ein bisschen mehr.«
    »Mindestens
doppelt so lange«, korrigierte Katinka. »Sonst hat er das Gefühl, sich nicht genug
um mich gekümmert zu haben.«
    Na, hoffentlich
hatte Dr. Karst ausreichend Lektüre im Haus. Ich war der einzige Gast in seinem
Wartezimmer, auch die letzte verbliebene Sprechstundenhilfe machte gleich darauf
Feierabend. Gähnend quälte ich mich durch die Frankfurter Allgemeine, scheiterte
an einem Kreuzworträtsel, blätterte in einer Gesundheitszeitschrift. Als ich versuchte,
die dortigen Gymnastiktipps in die Tat umzusetzen, kippte ein Stuhl um. Dr. Karsts
Kinder lachten von ihrem Foto herab. Ich schnitt ihnen eine Grimasse. Nach einer
Stunde schrieb ich aus lauter Verzweiflung ein paar SMS, aber niemand antwortete.
    Vielleicht
hätte ich doch mit zur Behandlung kommen sollen.
    Endlich
erschienen die beiden in der Tür zum Wartezimmer. Nur eine Minute länger, und ich
wäre eingeschlafen, ehrlich! Wieder gab es Küsschen, einen kräftigen Händedruck
und ein grübchenbetontes Grinsen.
    »Alles in
Ordnung?«, fragte ich Katinka.
    »Alles in
Ordnung. Und du«, wandte sie sich an den Arzt, »mach auch mal Schluss, Andreas.
Deine Familie wartet!«
    »Ein klitzekleines
halbes Stündchen noch«, grinste Karst, aber die Müdigkeit in seinen Augen war nicht
zu übersehen.
    Als wir
vor das Haus traten, war es sieben Uhr und längst dunkel. In den letzten Nächten
hatte es noch einmal kräftig angezogen, mit Frost bis in die tiefen Lagen. Wenigstens
machte mich die kalte Luft wieder munter.
    »Was hat
er mit dir angestellt, der Doc?«, wollte ich wissen.
    »Alles Mögliche.
Ausdauerwerte überprüft, Trainingsleistungen abgefragt. Allgemeiner Check halt.«
    »Das heißt,
du hast momentan keine Zipperlein? Vollkommen kerngesund?«
    Sie zuckte
die Achseln. »Spitzensportler haben immer Zipperlein. Ständig zwickt, zerrt und
drückt es irgendwo. Das haben wir alles durchgesprochen, Andreas und ich, bis ins
letzte Detail. Hinterher geht es einem zwar nicht besser, aber man weiß, dass die
anderen genauso übel dran sind wie man selbst.«
    »Und ich
dachte immer, Sport sei gesund.«
    »Leistungssport
nicht. Sag mal …«
    »Ja?«
    »Könntest
du das Auto holen und mich hier draußen aufgabeln? Ich hasse dieses Parkhaus, wirklich.«
    »Kein Problem.«
    Gähnend
stieg ich hoch zu Deck 2. Wie vor zwei Stunden funzelten die Neonlampen vor sich
hin, roch es nach Abgasen, staute sich die Kälte unter der niedrigen Decke. Von
der Zahl der freien Parkplätze einmal abgesehen, hatte sich seit unserem Weggang
nichts verändert.
    Bis auf
die beiden Gestalten, die sich an Katinkas Wagen zu schaffen machten.
    Einen Moment
lang zögerte ich, um zu sehen, ob es auch wirklich ihr Smart war, den die zwei bearbeiteten.
Dann flitzte ich los. Ohne nachzudenken.
    Meine Schritte
hallten durch das Parkdeck. Die zwei vermummten Typen hielten in ihrer Tätigkeit
inne, rissen die Köpfe herum – und flitzten ebenfalls. Leider in die andere Richtung.
    Realistisch
gesehen hatte ich keine Chance. Aber wer ist in solchen Situationen schon Realist?
Vielleicht stolperte einer der beiden. Zog sich ein Ausfahrtticket oder hatte Pudding
in den Beinen. Nichts dergleichen war der Fall, im Gegenteil. Die zwei flüchteten
in einem Tempo, das jedem Mittelstreckler zur Ehre gereicht hätte. Schon hatten
sie die spiralförmige Rampe erreicht.
    »Bleibt
stehen oder ich

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